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Armee verhängt Kriegsrecht über Thailand

Oberbefehlshaber: Das ist kein Putsch / Kommentatoren: Das wird die politische Krise nicht lösen, sondern verschlimmern / Sorge vor »schleichendem Staatsstreich« / Maulkorb für einen Teil der Medien

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Die thailändische Armee hat nach monatelangem politischen Machtkampf in Thailand das Kriegsrecht und der Presse einen Maulkorb verhängt. Die Armee übernimmt damit die Federführung bei Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung. Armeechef Prayuth Chan-ocha verlas den Befehl am Morgen im Fernsehen. Er rief die Menschen auf, nicht in Panik zu geraten, sondern normal weiterzuleben. Fernsehsender berichteten unter Berufung auf die Armee, es handele sich nicht um einen Putsch. Die Regierung sei weiter im Amt. Der amtierenden Regierungschef Niwatthamrong Boonsongpaisan zeigte und äußerte sich aber zunächst nicht. Er hatte einen freiwilligen Rücktritt am Montag noch abgelehnt.

Die Armee schaltete inzwischen den Sendebetrieb von zehn Fernsehsendern ab. In einer Anordnung hieß es zur Begründung, »um sicherzustellen, dass Nachrichten nicht verfälscht werden, was den Konflikt anheizen könnte«. Unter den geschlossenen Sendern sind sowohl Blue Sky, der Kanal, der den Regierungsgegnern nahe steht, als auch ein Sprachrohr der Regierungsanhänger, der Rothemden. Soldaten marschierten zudem bei Fernsehsendern und in Zeitungsredaktionen auf, wie die Medien berichteten.

»Das Kriegsrecht wird die politische Krise nicht lösen, sondern verschlimmern«, sagte der bekannte Kommentator Pravit Rojanaphruk im Fernsehen. »Ich glaube, Prayuth will einfach eine Konfrontation zwischen den Regierungsgegnern und -anhängern verhindern«, sagt Panitan Wattanayagorn, Politologe der Chulalongkorn-Universität. Die nötige Annäherung der verfeindeten Lager zur Lösung der Krise bringt das Kriegsrecht nicht. Beide Seiten sind bislang kompromisslos.

Die Armee weiß spätestens seit 2006, dass ein Militärputsch politische Probleme nicht löst, heißt es in Korrespondentenberichten. Ein Jahr nach dem Putsch gegen den damaligen Regierungschef Thaksin Shinawatra wählte das Volk Thaksins Parteigänger wieder an die Macht. »Es muss sich zeigen, ob dies ein schleichender Coup ist und das Militär in den nächsten Tagen und Wochen mehr Macht an sich reißt«, sagt der Jurist und Kommentator Verapon Pariyawong im Fernsehen.

Beim Coup 2006 hatten die Sender plötzlich nur noch Filmkonserven über die königliche Familie gezeigt. Damals erklärte der Armeechef die Verfassung für außer Kraft gesetzt. In Bangkok ging das Leben auch zunächst normal weiter. Im morgendlichen Berufsverkehr waren die Straßen wie üblich verstopft. »Wir können nur hoffen, dass die Armee nicht dieselben Fehler macht wie in der Vergangenheit«, sagte der unabhängige Kommentator Verapat Pariyawong im Fernsehen. »Wir können nur hoffen, dass dies nicht ein ,schleichender Putsch‘ ist - mit der Regierung zwar weiter im Amt, der Macht aber in den Händen des Militärs«, fügte er hinzu. »Wir wollen Demokratie, kein Kriegsrecht!« twitterte Rojanaphruk.

Die Armee erklärte, Gruppen »mit bösen Absichten« hätten Kriegswaffen gegen das Volk eingesetzt. Prayuth, der in wenigen Wochen in den Ruhestand geht, hat einen Putsch monatelang abgelehnt. Vergangene Woche drohte er allerdings mit hartem Durchgreifen, nachdem bei einem Angriff auf ein Protestlager von Demonstranten erneut Menschen ums Leben kamen. Bei den Protesten gegen die Regierung waren mehrfach Granaten abgefeuert worden. Mehr als 25 Menschen kamen seit November um. In Thailand versuchen Regierungsgegner seit November, die Regierung zu stürzen. Sie werfen ihr Korruption, Machthunger und Ausbeutung des Staates vor. Hassfigur ist für sie Thaksin Shinawatra, der Regierungschef, der 2006 gestürzt wurde. Er gängelt die Regierungspartei aus dem Exil. Sie wollen Thaksins Einfluss auf die thailändische Politik für immer ausmerzen.

Sie erzwangen mit Massendemonstrationen im Dezember die Parlamentsauflösung, doch torpedierten sie anschließend die Wahlen. Nachdem sie Kandidaten und Wähler massiv einschüchterten und in vielen Wahlkreisen am 2. Februar nicht ordentlich gewählt werden konnte, wurde der Wahlgang annulliert. Die Regierungsgegner, die gegen die vor allem auf dem Land weiter populäre Regierung an der Wahlurne keine Chance hätten, verlangen einen ungewählten Rat, der vor Neuwahlen Reformen durchführen soll. Agenturen/nd

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