Flüchtlinge vom Breitscheidplatz abtransportiert
Zum ersten Mal seit zwei Jahren greift Polizei gegen Flüchtlingsproteste in Berlin hart durch
Die Polizei ist am Dienstag gegen die protestierenden Flüchtlinge auf dem Breitscheidplatz in Charlottenburg vorgegangen. Insgesamt 120 Polizisten entzogen elf Flüchtlingen die Freiheit und nahmen diese zur Identitätsfeststellung mit in die Gefangenensammelstelle am Tempelhofer Damm. »Wir sind dem Anfangsverdacht des Verstoßes gegen die Residenzpflicht nachgegangen«, sagte Polizeisprecher Stefan Redlich. Der Verdacht eines Verstoßes habe sich aus Medienberichten ergeben, nach denen die Flüchtlinge nicht mehr in Heime in Sachsen-Anhalt zurückkehren wollen, wenn ihre Forderungen nicht erfüllt werden sollten.
Die Identitätsfeststellungen dauerten am Dienstag zunächst an. Danach sollte laut Polizei für jede Person einzeln entschieden werden, wie es für sie weitergeht. Würden die Menschen aus anderen Bundesländern kommen, sollten sie dorthin zurückgebracht werden. Von Absprachen, auf solche Überprüfungen zu verzichten, sei der Polizei nichts bekannt, sagte Redlich.
Die Flüchtlinge hatten am Sonntag entschieden, die Räume der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche zu verlassen und ihren Protest wieder auf dem Breitscheidplatz fortzusetzen. Sie hatten seit Wochen in der Stadt ausgeharrt und unter anderem einen Hungerstreik auf dem Alexanderplatz durchgeführt.
Vonseiten der Opposition im Abgeordnetenhaus wurde der Polizeieinsatz am Dienstag scharf kritisiert. Der Abgeordnete Oliver Höfinghoff (Piraten) sagte, dass entgegen der »Zusicherungen der Polizei, dass bei den Flüchtlingsprotesten niemand wegen seines Aufenthaltsstatus überprüft und weggeführt wird«, genau dies geschehen sei. Am Breitscheidplatz habe die Polizei zudem »ganz klar Racial Profiling« betrieben, weil nur schwarze Menschen kontrolliert worden seien. Auch die LINKE kritisierte, dass die Polizei eine überraschende »Hauruck-Aktion« durchgeführt habe. Der Abgeordnete Hakan Taş (LINKE) forderte Innensenator Frank Henkel (CDU) auf, »die Flüchtlinge sofort freizulassen, damit sie ihren friedlichen Protest fortsetzen können«. Auch die Grünen forderten den Senat auf, das Demonstrationsrecht zu garantieren. »Das Vorgehen Hamburgs in der Flüchtlingspolitik darf für die Hauptstadt kein Vorbild sein«, sagte die Abgeordnete Canan Bayram.
Unterstützer der Flüchtlinge wollten unterdessen noch am Nachmittag vom Oranienplatz zur Gefangenensammelstelle am Tempelhofer Damm demonstrieren.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.