Die digitale Generation anheuern

Die Messe ITEC will Gamer für das Militär und Militärs für Games begeistern

  • Marcus Meier
  • Lesedauer: 3 Min.
Das soldatische Handwerk wird immer stärker technologisiert. Gleiches gilt für das militärische Training per Simulation, wie die derzeit in Köln stattfindende Messe ITEC 2014 belegt.

Eines kann man den Veranstaltern der ITEC 2014 gewiss nicht vorwerfen: Eine öffentliche Waffenschau war und ist es nicht, was dort drei Tage lang bis heute in den städtischen Kölner Messehallen zelebriert wird. Im Gegenteil: Zugang haben nur Fachpublikum und Fachmedien, selbst die Lokalpresse muss, wie diese beklagt, draußen bleiben. Sogar in den offiziellen Terminkalender der KölnMesse wurde das Rüstungs-Event nicht aufgenommen. Auf Wunsch des Veranstalters, so ist zu hören. Warum diese Intransparenz? Diese nd-Frage ließ Veranstalter Clarionevents mit Hauptsitz in London, der mit rund 3000 Besuchern rechnet, unbeantwortet.

Friedensgruppen demonstrierten vor dem Messegelände und in der Kölner Innenstadt gegen die Messe, die in Köln zum dritten Mal stattfindet. »Hier werden weltweite Kriege und Aufstandsbekämpfung in all ihrer Grausamkeit vorgedacht und optimiert«, heißt es in einem Aufruf der kirchlichen Friedensbewegung Pax Christi. »Hier werden lukrative Geschäftsbeziehungen angebahnt, vertieft und profitable Geschäftsabschlüsse vorbereitet.« Krieg beginne in den Köpfen und werde salonfähig gemacht, so die ITEC-Gegner.

ITEC reimt sich zwar auf »high tech« und »iMac«, hat aber wenig mit allgemeiner Hochtechnologie oder Computern des Apple-Konzerns zu tun. Die Messe wird als »Internationales Forum für militärische Ausbildung, Bildung und Simulationen« und darin als »Weltklasse« beworben. Das diesjährige Motto: »Einsatz-Engagement bis Einsatz-Bereitschaft. Folgen für Modellbildung, Simulation, Training und Bildung«.

Adressaten der jährlich, aber an wechselnden Orten stattfindenden Leistungsschau sind Vertreter von Militär, Industrie und Forschung. Sie gilt als Ergänzung zum militärischen Bein der beinahe gleichzeitig in Berlin stattfindenden Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung. Vorträge beschäftigen sich unter anderem mit den psychologisch-kulturellen Aspekten von Militär-Missionen und »Ernsthaften Spielen zur Anheuerung der Digitalen Generation«.

Zu den über 100 Ausstellern der »für den wehrtechnischen Bereich bedeutenden Messe«, so die Deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik, zählen Flugzeug- und Rüstungshersteller, einschlägige Verbände, aber auch kleinere Produzenten von Computer-Simulationen wie der Software-Entwickler eSim Games. Die Dänen stellen in Köln die neueste Version ihrer Panzergefechts-Simulation »Steel Beasts Pro« vor, natürlich in der »Klassenraum-Version« für »Militär-Profis«.

Bis zu zwölf Akteurinnen und Akteure können gleichzeitig und gemeinsam Kampfoperationen im Waffenverbund üben - vom Platoon-, der kleinsten Kampfeinheit, über den Bataillons- bis zum Brigade-Level. Feindliche Panzer und Infanteristen werden im Akkord abgeballert, während eine Computer-Stimme »Fire!« (»Feuer!«) und »Target!« (hier für »Getroffen!«) brüllt. Es gibt Punkte für erfolgreiche Abschüsse - wie bei so manchem Computerspiel. Nur dass aus diesem Spiel schnell Ernst werden kann. Und durchaus soll.

»Stahlbestien« lautet die Übersetzung des Titels. Auch deutsche Panzer wie Rheinmetalls »Leopard« dienen dabei als Spielzeug. All dies wirkt ziemlich realitätsnah. Nur Blut, Leichen und abgesprengte Gliedmaßen sieht man nie.

Wo »Steel Beasts« aufhört, setzt »Trauma HAL« ein, der »medizinische Pflege auf dem Schlachtfeld« lehren soll. Dabei kommen lebensgroße, mit Sensoren ausgestattete Puppen zum Einsatz, die den angehenden Aushilfs-Chirurgen in Uniform Hinweise geben, ihn anschreien, aber auch mit Blut bespritzen, wenn es gilt, ein abgerissenes Bein respektive dessen bisherigen Eigentümer zu »behandeln«. Der »raue und belastbare Simulator« wird von einem Unternehmen in Miami im US-Bundesstaat Florida produziert, das auch Simulationen für zivile Medizin-Übungen im Programm hat. Darunter auch den Geburtssimulator »VICTORIA«, eine Dame aus Plastik mit adrettem blonden Scheitel. Irgendwo müssen die kleinen Soldaten ja herkommen.

Medizinische Behandlung von »Kriegskämpfern bis Veteranen«, ist eines der Hauptthemen der Kölner Messe. Ein verlorenes Bein muss längst nicht mehr das Ende der Soldaten-Karriere bedeuten. In den USA macht die Prothesen-Forschung rasante Sprünge. Versehrte Krieger wollen mit Hilfe von Hightech-Beinen und -Armen aber nicht den verdienten Ruhestand genießen, sondern direkt zurück aufs Schlachtfeld. Als beinahe vollwertige Kombattanten.

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