Wer stimmt ab? Kommunalwahlen in elf Bundesländern
Auf bis zu sechs Stimmzetteln können die Wähler in manchen Orten Kandidaten und Parteien ankreuzen. Ein Überblick
Am Sonntag stehen Kommunalwahlen in elf Bundesländern an. Gewählt wird am Sonntag in Baden-Württemberg, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und - allerdings nur sehr eingeschränkt und nicht flächendeckend - in Niedersachsen. In Hamburg schreiten die Bürger zur Bezirkswahl. Der große Überblick:
BADEN-WÜRTTEMBERG: Besondere Aufmerksamkeit dürfte das Wahlergebnis in Stuttgart auf sich ziehen. In der Landeshauptstadt will die CDU den Grünen die Position als stärkste Kraft im Gemeinderat streitig machen. Vor fünf Jahren, als der Konflikt um das Bahnprojekt Stuttgart 21 eine große Rolle spielte, hatten die Grünen mit 25,3 Prozent vorn gelegen. Mittlerweile bestimmt das Thema Stuttgart 21 allerdings nicht mehr die politische Debatte. Im Südwesten sind die freien Wählervereinigungen traditionell auf kommunaler Ebene sehr stark - auf Landesebene spielen sie hingegen keine Rolle. Deshalb gilt das Wahlergebnis auch nicht als Barometer für die politische Stimmung im Land.
BRANDENBURG: 2014 ist ein Superwahljahr, denn im September wird auch der Potsdamer Landtag gewählt. Ein Hauptthema bei beiden Wahlen ist die Polizeireform, die bis 2020 deutliche Einsparungen bei der Zahl der Beamten bringen soll. Wegen der gleichbleibend hohen Kriminalität im Speckgürtel um Berlin und in der Grenzregion zu Polen hat die rot-rote Koalition ihre Pläne aber deutlich abgemildert. In den Anliegergemeinden rund um den immer noch nicht startbereiten Hauptstadtflughafen ist der Schallschutz und eine Ausweitung des Nachtflugverbots ein großes Thema. Berlin und der Bund lehnen dies ab. In fast allen Landkreisen tritt die NPD zur Wahl an und ist besonders auf dem flachen Land im Süden sehr aktiv und in einzelnen Gemeinden erfolgreich.
HAMBURG: Bei der Wahl der Bezirksversammlungen stehen vor allem die Themen Finanzen, Wohnungsbau und Verkehr im Vordergrund. Derzeit werden alle sieben Bezirke von der SPD dominiert. Die Wahl der Bezirksvertretungen ist erstmals getrennt von der Bürgerschaftswahl angesetzt. Sie gilt auch als Stimmungstest für die Bürgerschaftswahl im kommenden Jahr, bei der Bürgermeister Olaf Scholz die absolute Mehrheit seiner SPD verteidigen möchte.
MECKLENBURG-VORPOMMERN: Die Wahl steht unter dem Eindruck der umstrittenen Kreisgebietsreform von 2011. Damals waren gegen den Willen vieler Kommunalpolitiker durch Zusammenlegungen die größten Landkreise Deutschlands entstanden. Die versprochenen Einspareffekte blieben bislang aus. Mit Spannung wird daher erwartet, wie die Schweriner Regierungsparteien SPD und CDU abschneiden. Dass die Union erneut vorn liegen wird, gilt als sicher. Offen ist, ob die SPD von Ministerpräsident Erwin Sellering, dessen Ansehen zuletzt etwas bröckelte, die Linke auch in den Kommunen wieder hinter sich lassen kann. Beide Parteien lagen bei Kommunalwahlen immer eng zusammen.
NORDRHEIN-WESTFALEN: Nirgendwo sonst in Deutschland sind so viele Bürger an die Kommunalwahlurnen gerufen wie in Nordrhein-Westfalen: Mehr als 14 Millionen Wahlberechtigte dürfen über rund 15 000 Ämter und Mandate entscheiden. Sie wählen alle Kommunalparlamente und in vielen Städten und Kreisen auch Bürgermeister und Landräte. Die größte Schwierigkeit dürfte aber sein, sie zu mobilisieren. 2009 hatte die Wahlbeteiligung ein Rekordtief von 52,4 Prozent erreicht. Dabei gibt es reichlich Probleme. Etliche Kommunen sind in großer Finanznot: Schwimmbäder müssen schließen, marode Straßen können nicht saniert werden. Das große überregionale Aufregerthema fehlt aber. Eine »Denkzettelwahl« an die Adresse der rot-grünen Landesregierung ist daher nicht zu erwarten.
NIEDERSACHSEN: In 215 Kommunen sind die Bürger zur Wahl eines neuen Bürgermeisters oder Landrates aufgerufen. Es werden aber keine Kommunalvertretungen wie Stadt- und Gemeinderäte gewählt. Spannend wird es unter anderem in der zweitgrößten Stadt Braunschweig, wo ein Nachfolger für den langjährigen Oberbürgermeister Gert Hoffmann (CDU) gesucht wird. Ein Promi versucht knapp jenseits der Landesgrenze erneut sein Glück: Im nordrhein-westfälischen Höxter will der frühere niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) Bürgermeister werden, nachdem er bei der Landratswahl in Hameln im vergangenen Jahr keinen Erfolg hatte. In rund einem Drittel der Landkreise (13 von 38) werden neue Landräte gewählt.
RHEINLAND-PFALZ: Die im Mainzer Landtag in der Opposition sitzende CDU hofft, bei den Kommunalwahlen erneut stärkste Kraft zu werden. Die Kommunen sorgen sich vor allem ums Geld. Rund 12 Milliarden Euro Schulden plagen sie nach eigenen Angaben - Tendenz steigend. Der Landesrechnungshof warnte, in keinem anderen Flächenland sei die Entwicklung so negativ. Nun bekommen die Kommunen mehr Geld vom Land, doch das reicht ihnen nicht. Die großen Baustellen, die Ministerpräsidentin Malu Dreyer von Kurt Beck (beide SPD) übernahm, könnten ebenfalls Auswirkungen auf die Wahlen haben: Beim gerade verkauften Nürburgring ist der Verlust für Steuerzahler noch unklar, der Regionalflughafen Hahn rutscht immer tiefer in rote Zahlen.
SAARLAND: Auch an der Saar steht der Wahlkampf im Zeichen des Sparzwangs angesichts klammer Finanzen. Diskutiert wird über Kooperationsmöglichkeiten zwischen Kommunen - etwa beim Betrieb von Schwimmbädern. Rund 800 000 Bürger sind aufgerufen, neue Kommunalvertretungen zu wählen. Dazu gehören die Regionalversammlung des Regionalverbandes Saarbrücken, 5 Kreistage, 17 Stadträte, 35 Gemeinderäte, mehr als 300 Bezirks- sowie 307 Ortsräte. Bei der Wahl 2009 war die CDU landesweit stärkste Kraft vor der SPD geworden.
SACHSEN: Mit Spannung wird das Abschneiden der AfD erwartet. Die eurokritische Partei hatte bei der Bundestagswahl im September 2013 in Sachsen 6,8 Prozent der Stimmen errungen - ihr bestes Ergebnis in einem Bundesland. Stark sind in Sachsen auch die Freien Wähler, die vor fünf Jahren fast ein Viertel der Stimmen erhalten hatten. Im Wahlkampf stellen fast alle Parteien die Themen Bildung und Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie eine Neuordnung der Kommunalfinanzen in den Mittelpunkt. Sie sind sich einig, dass die Kommunen mehr Geld benötigen. Auch in Sachsen werden die Bürger in diesem Jahr noch ein weiteres Mal zu den Wahlurnen gerufen, am 31. August ist Landtagswahl.
SACHSEN-ANHALT: Im Mittelpunkt der politischen Auseinandersetzung steht seit mehr als einem Jahr die Sparpolitik - angesichts sinkender Gelder von Bund und EU will die Landesregierung bei Hochschulen, Theatern oder auch bei der Zahl der Polizeibeamten kürzen. Im Kommunalwahlkampf kommen regional noch zahlreiche andere Themen hinzu: In Sangerhausen etwa die Finanznot des Fahrradherstellers Mifa oder im Kreis Jerichower Land eine Anklageerhebung gegen den amtierenden Landrat wegen des Vorwurfs der Bestechlichkeit.
THÜRINGEN: Bis zu sechs Stimmzettel müssen Thüringer in manchen Orten zur Europa- und Kommunalwahl ausfüllen, denn auch Ortsteilbürgermeister werden gewählt. Bei den Gemeindewahlen in 13 kleinen Orten ist der Stimmzettel mangels Kandidaten aber leer. Dort können die Wähler aber Kandidaten ihrer Wahl auf den Stimmzettel schreiben. Das lässt das Wahlrecht zu. Vor fünf Jahren habe das gut geklappt, berichtet Innenminister Jörg Geibert (CDU). Obwohl es auch damals in 13 Orten leere Stimmzettel gegeben habe, sei letztlich keine Gemeinde ohne Gemeinderat geblieben. Die Kommunalwahl sei kein Stimmungstest für die Landtagswahl am 14. September, sind sich CDU und SPD einig, die gemeinsam das Land regieren. dpa/nd
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.