»Er hat sich für Quickborn erschießen lassen ...«
Wenn der Tod nicht genug ist: CDU und FDP lehnen Platzbenennung nach ermordetem Kommunisten ab
Mit den Stimmen von CDU und FDP hat es die Ratsversammlung im schleswig-holsteinischen Quickborn (Kreis Pinneberg) am Montagabend abgelehnt, einen städtischen Platz nach dem 1933 dort ermordeten Kommunisten Paul Warnecke zu benennen. Obwohl sich der örtliche Kulturausschuss zuvor für den Namen ausgesprochen hatte, setzte die CDU im Rat einen Gegenantrag durch, der lediglich die Installation einer Hinweistafel vorsieht und einen nie umgesetzten, früheren Beschluss des Gemeinderates zur Umbenennung aufhebt. Letzteres hat skurrile Folgen.
Der 19-jährige Paul Warnecke hatte sich in der Nacht zur Reichstagswahl vom 5. März 1933 an Patrouillen einer »Häuserschutzstaffel« beteiligt, um die Wohnungen der kommunistischen Gemeindevertreter Julius Stubbe und Johannes Schwank vor Angriffen der SA zu schützen. Um Repressalien vorzubeugen, war die Gruppe unbewaffnet, als sie in einer Grünanlage nahe des Wohnhauses der Familie Stubbe gegen 2.30 Uhr auf eine Streife der Nationalsozialisten traf. Gleich mehrere Schüsse wurden auf die flüchtenden Kommunisten abgegeben, Warnecke dabei tödlich getroffen. Während die Landjäger anstatt des SA-Schützen Gustav Jeske nun KPD-Mann Stubbe festnahmen, meldete Landrat Johann Justus Duvigneau am nächsten Morgen an den Regierungspräsidenten: »Die Ruhe und Sicherheit in Quickborn ist wieder hergestellt.« Den Ort des Mordes benannte man wenig später nach Horst Wessel.
Nach Kriegsende begann in Quickborn zwar die Aufarbeitung der Nazi-Verbrechen, doch während die örtliche Hitler-Straße zügig umbenannt- und der Todesschütze zu einer zehnjährigen Zuchthausstrafe verurteilt wurde, ging ein anderer Beschluss des Gemeinderats offenbar unter: Einstimmig hatten sich dessen 19 Mitglieder, darunter acht Christdemokraten, am 23. April 1946 für die Umbenennung der Grünanlage in »Paul Warnecke-Platz« ausgesprochen. Doch außer der Demontage der alten Schilder geschah bis heute nichts.
Für die geschichtspolitische »Initiative Selbstbewusstes Quickborn« (ISQ) Grund zum Handeln: Schon im Februar 2009 hatte die Gruppe einen Stolperstein für Warnecke verlegen lassen, seit einigen Monaten nun fordert sie die Umsetzung des einstigen Beschlusses - unterstützt von der SPD, den Grünen und auch Bürgermeister Thomas Köppl (CDU): »Die Arbeit der Initiative schätze ich sehr«, sagte er »nd« im Vorfeld der Abstimmung, das gelte auch »ausdrücklich für den Antrag zur Umbenennung«.
Allein: Seine eigene Partei sieht das anders. So sprach sich die CDU zwar für eine Hinweistafel zum Gedenken an Warnecke aus. Für einen Straßennamen aber, erläutert Fraktionschef Klaus H. Hensel gegenüber »nd«, erwarte die CDU, dass die Person »etwas Positives für die Gemeinschaft geleistet hat«. Und das sei bei dem 19-jährigen Warnecke doch noch »ein bisschen wenig« gewesen. Außerdem fragt sich die Union, warum denn der Beschluss des Jahres 1946 nicht umgesetzt wurde: »Dafür wird es einen Grund gegeben haben«, vermutet Hensel. Argumente, die Köppl ratlos zurücklassen: »Warnecke hat sich für Quickborn erschießen lassen«, sagt er, es gebe Dinge, die müsse man einfach nicht diskutieren.
Auch der Historiker Jörg Penning, auf dessen Forschungsarbeit sich die ISQ und ihre Projekte wesentlich stützen, kann Hensel nicht folgen: »Das ist bitter«, kommentierte er unmittelbar nach der Ratssitzung am Montag die gescheiterte Namensgebung, und: »Dass Warnecke dem NS-Staat etwas entgegengesetzt hat, dass er versuchte, Andere vor Übergriffen zu schützen, das müsste doch eigentlich Leistung genug sein.« Beendet ist die Diskussion mit der Abstimmung also nicht. Erst recht nicht, weil die CDU mit der Aufhebung des Beschlusses von 1946 versehentlich auch den davor gültigen Namen reaktiviert haben dürften. Streng genommen heißt der Platz wieder »Horst-Wessel-Park«.
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