Dem »schlauesten Kopf« zum Geburtstag
Immer wieder anfangen, immer wieder kritisieren, sich niemals abfinden: Joachim Bischoff wird 70
Wer im elektronischen Archiv des »neuen deutschland« in den 1990er Jahrgängen nach dem Namen Joachim Bischoff sucht, wird etwa dies finden: 18. Dezember 1990, die Gründung einer Arbeitsgruppe »Politische Erklärung« im Umfeld der PDS wird angekündigt, sie soll einen Entwurf verfassen, der »inhaltliche Problemfelder, kritische Fragen, Meinungsverschiedenheiten und mögliche Alternativen« zusammenbringt; ein Diskussionspapier liegt vor, Joachim Bischoff hat daran mitgearbeitet. 12. Januar 1991, die Interessengemeinschaft »Linke Wirtschaftspolitik« werde sich bald gründen,wird berichtet, sie solle »sich nicht als ein abgeschlossenes Parteigremium verstehen, sondern offen sein für alle, die an einer Alternative zur konservativen, an Kapitalverwertung orientierten Wirtschaftspolitik und deshalb an überzeugender Darstellung von vorhandenen alternativen Politikangeboten interessiert sind«. Eine Initiativgruppe, der Joachim Bischoff angehört, lade alle Interessierten dazu ein. Und so geht es weiter, das Archiv dieser Zeitung erzählt davon, mehr noch das der Zeitschrift »Sozialismus«, unzählige Bücher tun es ebenso: immer wieder anfangen, immer wieder kritisieren, immer wieder einen Versuch der Veränderung starten. Niemals sich abfinden mit dem, was da ist; was geduldet wird von denen, die etwas davon haben; das gern für unveränderbar erklärt wird.
Am diesem Mittwoch wird Joachim Bischoff 70. Hier zu diesem Anlass seine politische Biografie aufzuzählen, würde ihm nicht gerecht. Denn es ging ihm darum nie, um die Schulterstücken des Engagement, die Ämter, die Posten, die Titel. Von den Falken zum SDS, von der SPD zu den Demokratischen Sozialisten, von der PDS über Wahlalternative zur Linkspartei. Ja, auch Vorstandsmitglied hier und da. Zudem Abgeordneter, zuletzt in der Hamburger Bürgerschaft. Aber das ist es nicht, woran man an einem Geburtstag von Joachim Bischoff denkt. Eher: an diese so sympathische Zurückhaltung, an einen Dialekt, den man mit Hamburg nicht in Verbindung gebracht hätte, an unzählige Bücher, Aufsätze, Diskussionsrunden, an diese freundliche Unnachgiebigkeit, wenn es darum geht, um eine gerechtere Welt zu streiten, um eine andere Politik, um eine bessere Linke auch. Als Joachim Bischoff Ende 2011 aus der Bürgerschaft ausschied, da hieß es aus den anderen Fraktionen, es gehe nun der »schlaueste Kopf«, man lobte seine Scharfzüngigkeit, sein Wissen. Nicht etwa, weil man da jemanden umschmeicheln wollte, der nach einem langen Marsch druch diese und jene Institution aufgehört hätte, die falschen Verhältnissen auch solche zu nennen. Sondern weil da jemand ist, der dies auf eine Weise immer noch tut und auch dort, wo man es vielleicht nicht mehr erwartet, die Respekt auch bei denen hervorruft, die sich längst in allem eingerichtet haben.
Ein Boulevardblatt hat ihn einmal einen »Karl-Marx-Verehrer« genannt, das sollte sicher irgendwie pointiert klingen, eine Marke sein, auch ein Etikett. Es ist in dem Sinne falsch, als dass Joachim Bischoff nie zu den Linken zählte, die eine kritische, theoretische Auseinandersetzung mit dem Kapitalismus mit »Verehrung« verwechselten, dam it also, sich mit den »jeweils passend ausgesuchten Stellen in den Schriften von Marx, Engels, Lenin« (Dietmar Dath) Aussagen zu basteln, die auf diese Weise in den Rang theoretischer Unangreifbarkeit gehoben werden sollten. Der »Marx-Verehrer« ist in dem Sinne aber richtig, als dass Joachim Bischoff zu den Linken zählt, die etwas von politischer Ökonomie verstehen - was gar nicht selbstverständlich ist. Man mag das eine anders sehen und das andere auch. Aber die Geduld und die Kenntnis, mit der Joachim Bischoff seit Jahrzehnten durchbuchstabiert, was diese Gesellschaft im Innersten bewegt, ist beeindruckend und beispielhaft.
Dass er dabei nicht hinter dem Schreibtisch der Theorie geblieben ist, was orthopädisch unbequem sein mag, politisch aber viel bequemer, sondern dass er auch auf der Straße und im Parlament, in Vorstandssitzungen und auf Kongressen um diese, seine Positionen rang, lässt Joachim Bischoff herausragen - ohne dass dafür eigens ein Rampenlicht eingeschaltet werden müsste. Einer, der eben nicht nur theoretisch etwas auf dem Kasten hatte. Einer, der eben nicht nur Politiker war. Es gibt nicht so viele wie ihn. »Die Union sagt, wir amputieren euch beide Beine. Und dann kommt die SPD und sagt: Wir nehmen euch nur ein Bein weg, so könnt ihr wenigstens noch hopsen.« Aus dieser Konstellation herauszukommen, denkt, schreibt und redet Joachim Bischoff. Immer auf der Suche nach grundsätzlichen und realisierbaren Auswegen. »Es reicht nicht aus, alternative Vorstellungen in den politischen Raum zu tragen. Man muss sich auch ihrer Umsetzung stellen«, hat er einmal gesagt. Da wurde gerade die Wahlalternative gegründet. Für Joachim Bischoff hat das auch zu allen anderen Zeit gegolten: streitbar, geduldig und früher auch gern mit einer Strickjacke über dem Hemd. Alles Gute, lieber Joachim.
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