Fußballerblut

Leo Fischer über Krieg, Zuhause und den Rasen

  • Lesedauer: 2 Min.

Und hatte die Entnazifizierung sonst keinen anderen Effekt, behauptet der linksnuschelnde Volksmund, so hat man den Deutschen wenigstens den Militarismus ausgetrieben, wenn nicht auf ökonomisch-politischer, so doch auf ideologischer Ebene: Die Begeisterung für Kriegsgerät und Uniformen ist gesellschaftlich tabu, nur mehr etwas für verklemmte Singles, die sich nachts N24-Dokus ansehen, jeder noch so vergeigte Wahlkampf kann mit einem entschiedenen »Je nun« zu neuen NATO-Kriegen gewonnen werden. Das Kriegsgeschäft ist peinlich geworden wie ein Toilettenbesuch: Waffen werden diskret produziert und geheim verkauft; Kriegsschauplätze sieht man nur, wenn sie für die Ankunft der Verteidigungsministerin besenrein gemacht wurden; die Offiziere wirken klinisch-professionell wie Leichenwäscher oder Klärgrubenwarte. Und das schlechte Gewissen, das die Opfer deutscher Qualitätsmunition schaffen, lässt sich lindern, wenn jene Opfer hinterher fair gehandelte Drittweltware in die Edelsupermärkte liefern dürfen.

Was am Krieg schön und begehrenswert war, Märsche, Trommeln und Hurra, wurde der Sphäre des Sports überantwortet; erfolgreich hat die Ästhetik von Leder und Wade die von Landser und Stahlhelm abgelöst. Doch spätestens, seit mit Joe Gauck die deutsche Zurückhaltung »im großen Völkerringen« auch höchstinstanzlich aufgegeben ward, kehrt sich der Trend um, wird das Gerede über die Bundeswehr dem Gerede über Fußball immer ähnlicher: Beiderseits geht es um »unsere Jungs«, um »Einsätze«, um das »Spiel«. Im Ernstfall eben ums »Spiel der globalen Kräfte« (von der Leyen).

Und es geht um Blut. Entweder fließt es selbst, dann blutet die Nation mit, und Tagesschausprecher müssen ein völlig ernstes Gesicht machen, wenn sie verkünden, dass sich ein erwachsener Mann beim Ballspielen Aua gemacht hat. Oder das Blut wird verunreinigt, durch Homosexualität und Doping; im letzteren Fall wird gar der Ruf nach Gesetzen laut - und ja, warum soll der Staat nicht auch Mühlespiel, Warcraft und Kiesertraining regulieren? Der neueste Trend, dass der Fußball auch Blut fließen lässt, wurde durch den »Horrorunfall« (»Bild«) im Passeiertal geläufig: So etwas kommt vor, war der Tenor in den Fußballforen, wenn die Nationalelf ihre nationalen Pflichten und damit auch Repräsentationsaufgaben wahrnimmt; Ärger galt nur den Behörden, die die Strecke für den rasenden Unsinn der PR nicht genug sicherten. Denn wenn unsere Jungs scharf schießen müssen, geht auch mal was am Ziel vorbei. Im Krieg, zu Hause oder auf dem Rasen.

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