Das große Los am BER
Vergabeprozess um Berliner GmbH stellt Projektmanagement erneut in Frage
Peter Meyer bewirbt sich unter dem Namen Peter Maximilian Meier für einen Job, weil ein Freund mit diesem Namen über das bessere Schulzeugnis sowie den erforderten Führerschein verfügt. Den Arbeitsvertrag unterzeichnet er schließlich mit seinem richtigen Namen Peter Meyer. Dieses Vorgehen muss als Beispielschema dienen, um die Zusammenhänge der Firma »BIB Brendel GmbH« und der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH darzulegen.
Dem »neuen deutschland« liegt ein Schreiben vor, in dem gegen die Brendel GmbH und die Flughafen Berlin Brandenburg GmbH (FBB) schwere Vorwürfe erhoben werden. So soll die BIB Brendel GmbH sich unter falschem Namen (»Brendel Ingenieure AG«) und mit falschen Referenzen um einen Auftrag beworben haben. Die Flughafengesellschaft soll daraufhin mit der GmbH einen Dienstleistungsvertrag abgeschlossen haben, der der Firma BIB Brendel die Bezahlung von 30 Mitarbeitern mit 900 Euro pro Tag und Kopf zusichern soll. Es wird behauptet die BIB Brendel GmbH würde diese 30 Mitarbeiter mit 400 Euro täglich beschäftigen und so pro Tag 15 000 Euro Gewinn machen. Rechnerisch würde die BIB Brendel GmbH jährlich auf diese Weise möglicherweise etwa 3,78 Millionen Euro verdienen. Ein Kommentar hierzu wurde bisher abgelehnt.
Der Verfasser des anonymen Schreibens wirft der Flughafengesellschaft zudem vor, von der fehlerhaften Bewerbung sowie einer mangelhaften Vertragserfüllung zu wissen und nichts zu unternehmen.
Die Flughafengesellschaft antwortete auf »nd«-Anfrage, sie habe mit der »BIB Brendel Ingenieure GmbH« im Dezember 2012 einen Werkvertrag abgeschlossen. Die BIB Brendel GmbH ihrerseits ließ wissen, eine Beantwortung der Fragen sei »leider nicht möglich, da wir der Verschwiegenheitspflicht unterliegen«.
Gefragt nach der Zahl der im Rahmen dieses Vertrags zuständigen Mitarbeiter erklärte die FBB, »über Betriebs- und Geschäftsinterna geben wir keine Auskunft«. Auf die Frage, unter welchem Namen sich die Firma beworben habe, erhielt »nd« ebenfalls keine Antwort.
Zu den weiteren Vorwürfen, die aus dem anonymen zugeleiteten Schreiben resultieren, ist es nötig ins Detail zu gehen. Laut Flughafengesellschaft wurde der betreffende Vertrag »im Rahmen eines EU-weiten Ausschreibungsverfahren als Verhandlungsverfahren mit vorherigem Teilnahmewettbewerb von Objektüberwachungsleistungen zur Fertigstellung Hochbau und TGA des FGT Leistungsphase 8 + 9 für die TGA-Anlagengruppen 4 - 8 (Los 5) geschlossen«.
Die entsprechende Ausschreibung wurde im Oktober 2012 im Europäischen Amtsblatt veröffentlicht. Für mehrere Abschnitte, sogenannte Lose, wurden für verschiedene Dienstleistungen Architektur-, Konstruktions- und Ingenieurbüros und Prüfstellen gesucht. Den Zuschlag sollte das wirtschaftlichste Angebot erhalten. Die Bewerbungsfrist lief grade mal über eine Mindestdauer von zehn Tagen.
Im Dezember 2012 sind denn auch laut Mitteilung im Europäischen Amtsblatt fünf der sechs Lose an verschiedene Bewerber vergeben worden. Von Los 5 ist in der entsprechenden Mitteilung allerdings keine Rede.
Erst Ende Januar 2013 wird an gleicher Stelle im Amtsblatt eine kurze Mitteilung veröffentlicht, wonach das Vergabeverfahren zu Los Nummer 5, eben jenes, zu welchem die BIB Brendel Ingenieure GmbH einen Vertrag abgeschlossen habe, eingestellt wurde. Wiederum vier Wochen später teilte die Flughafengesellschaft im Amtsblatt mit, die BIB Brendel Ingenieure GmbH habe in einem »Verhandlungsverfahren ohne Aufruf zum Wettbewerb« den Auftrag zu Los 5 bekommen. Das »Verhandlungsverfahren ohne Aufruf zum Wettbewerb« ist demnach erfolgt, weil es »keine Angebote oder keine geeigneten Angebote im Anschluss an ein: Verhandlungsverfahren mit vorherigem Aufruf zum Wettbewerb« gab.
Hier bleibt zunächst die Frage offen, wieso die »BIB Brendel Ingenieure GmbH«, die sich vermutlich bereits im Herbst 2012 beworben hat, nicht gleich den Zuschlag bekam. Und weshalb die Flughafengesellschaft mitteilt, der Vertrag sei im Dezember 2012 abgeschlossen worden.
Bezüglich des Vorwurfs der fehlerhaften Referenzen fragte »nd« die FBB weiterhin, wie die Bewerbung der BIB Brendel GmbH geprüft wurden. Die Antwort: »Im Rahmen des Teilnahmewettbewerbs wurden gemäß den einschlägigen Festlegungen im Veröffentlichungstext die wirtschaftliche/ technische/ personelle Leistungsfähigkeit sowie Fachkunde und Zuverlässigkeit des Bewerbers geprüft, um die geforderte Leistungsfähigkeit, Fachkunde und Zuverlässigkeit zu prüfen.« Soll heißen: Bei der umstrittenen Vergabe ist alles rechtens gelaufen.
An dieser Stelle sei jedoch auf das Eingangs beschriebene Gleichnis verwiesen. Eine »BIB Brendel Ingenieure GmbH« gibt es laut Handelsregister nicht.
Wird dem Vorwurf gefolgt, die BIB Brendel GmbH habe sich unter dem Namen »Brendel Ingenieure AG« beworben, so hätte die Flughafengesellschaft bei einer Überprüfung dieser Firma feststellen müssen, dass sich die »Brendel Ingenieure AG« zum Zeitpunkt der Bewerbung in der Abwicklung befand: »Über das Vermögen der Brendel Ingenieure AG Berlin wurde laut Mitteilung im Bundesanzeiger am 31.01.2011 ein Insolvenzverfahren eröffnet, weil sie zahlungsunfähig und überschuldet« war.
Es gab jedoch zum Zeitpunkt der Bewerbung eine zweite Brendel Ingenieure AG, die ihren Sitz in Frankfurt am Main und juristisch gesehen mit der Berliner AG nichts (mehr) zu tun hat. Die AG wurde 2013 in eine GmbH umgewandelt. Weiterhin gab es bis zum Frühjahr 2009 die Brendel Ingenieure GmbH mit Sitz in Königstein im Taunus. Die 100-prozentige Muttergesellschaft der BIB Brendel ging 2009 insolvent und verlegte ihren Firmensitz nach Berlin. Diese AG war bis 2006 Teilhaberin der Frankfurter Firma. Im Geschäftsjahr 2006 veräußerte die Brendel Ingenieure GmbH in Königstein ihre gesamten Anteile an der »BIF AG«.
Zuletzt sei die »Brendel Building Services GmbH« in Berlin genannt, die im Insolvenzjahr 2011 gegründet wurde. Sie ist eine 100-prozentige Tochter der Berliner Brendel GmbH und hat laut Eigenauskunft im Bundesanzeiger keine Mitarbeiter.
Die Namensähnlichkeiten sind bei den genannten Firmen nicht die einzigen Überschneidungen.
Geschäftsführer der BIB Brendel, der Brendel Building Services sowie der insolvent gegangenen Königsteiner GmbH und der AG ist (war) laut Handelsregister Dieter von Oelsen, Jahrgang 1942. Über die Jahre hinweg teilte er sich die Geschäftsführung der verschiedenen Firmen mit Simone und/oder Thomas von Oelsen, die dem Alter nach Sohn und Tochter oder Schwiegersohn/-tochter sein dürften.
Dieter von Oelsen war außerdem bis 2006 Aufsichtsratschef der Frankfurter AG. Also bis zu dem Jahr, in dem die Berliner sich von den Frankfurtern trennten. Das Frankfurter Unternehmen teilte heute auf seiner Website mit, im Jahr 2006 habe es einen »Generationenwechsel« gegeben. Seit 2008 ist von Oelsen senior laut Bundesanzeiger nicht mehr Mitglied des Aufsichtsrates. Personelle Bekanntschaften gibt es bis heute. Biwoi von Schweinichen, einer der zwei Geschäftsführer der Frankfurter Brendel GmbH, saß ebenfalls viele Jahre im Aufsichtsrat der AG.
Folgt man der Annahme, die BIB Brendel habe sich unter korrektem Namen mit ihren eigenen Referenzen beworben, bleibt die Frage, wie sie einer Prüfung durch die Flughafengesellschaft stand halten konnte.
Abgesehen von den Insolvenzen der verwandten Firmen, die sich in der Geschäftsführung personell nicht unterscheiden, gäbe es einen weiteren Punkt: In der Ausschreibung fordert die Flughafengesellschaft den Nachweis eines Jahresumsatzes der Bewerber von einer Million Euro pro Geschäftsjahr.
Ein Blick in die im Handelsregister veröffentlichten Bilanzen der BIB Brendel GmbH hätte an solch einem Umsatz Zweifel aufkommen lassen können.
Eine weitere Bedingung für das oben genannte »Los 5« ist die Bereitstellung von »mindestens fünf Objektüberwachern mit jeweils mindestens fünf Jahren praktischer Berufserfahrung«. Geht man davon aus, dass sich die BIB Brendel GmbH um den Auftrag beworben hat, muss man sich fragen, welche fünf Personen die Firma aufgelistet hat. Laut Bonitätsabfrage soll die GmbH zwischen 2009 und 2013 zwei Mitarbeiter gehabt haben.
185 Planer und 200 Objektüberwacher sind nach Angaben der Flughafengesellschaft auf der Baustelle BER tätig. Nachdem in der vergangenen Woche die Korruptionsvorwürfe gegen Technikchef Jochen Großmann bekannt wurden, rückte nun die Vergabepolitik der Flughafengesellschaft verstärkt in den Fokus.
»Das Vorgehen der FBB in der Sache Brendel Ingenieure ist äußerst zweifelhaft«, sagte Martin Delius, Vorsitzender des Untersuchungsausschusses BER, dem »nd«. »Allein die Tatsache, dass nicht aufgeklärt werden kann, welche Firma in welchem Zusammenhang wie geprüft worden ist, macht das Verfahren angreifbar.« Nach der Verschiebung der Eröffnung 2012 habe die FBB offensichtlich weitere große Probleme mit rechtssicheren Vergabeverfahren und dem internen Controlling gehabt. »Im Zusammenhang mit der Korruptionsaffäre Großmann wird deutlich, dass die Kontrollstrukturen der FBB eben nicht funktionieren. Die Unklarheiten um Herrn Großmann sind kein Einzelfall. Zum Fall Brendel muss sich Hartmut Mehdorn jetzt öffentlich erklären. Die Probleme an der Baustelle sind offensichtlich auch Probleme in der Kontrolle und Verwendung öffentlicher Mittel.«
Ramona Pop, Fraktionsvorsitzende der Grünen, sagte anlässlich der Affäre Großmann: »Hartmut Mehdorn ist stets als Kritiker von Ausschreibungskriterien aufgetreten, das rächt sich nun.« An einem externen Controlling beim Bau und den Finanzen führe nach diesem Korruptionsskandal kein Weg mehr vorbei.
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