Die Sache mit den Bockwürsten

Lilo Hardel: »Die lustige Susanne« - Erlebnisse eines Vorschulkindes

  • Silvia Ottow
  • Lesedauer: 3 Min.

Eine Katze zu haben, wäre schön. So denkt die kleine Susanne, deren Eltern viel arbeiten und die noch einen langen Sommer als Kindergartenkind vor sich hat, ehe sie in die Schule kommt. Eine Katze hätte ein weiches Fell, könnte behaglich schnurren und geheimnisvoll mit ihren grünen Augen funkeln. Oder sollte sich Susanne doch lieber einen Hund wünschen? Der würde seinen Kopf heben und verständnisvoll auf jedes ihrer Worte lauschen. Er würde sie beschützen und an einer Leine beim Spaziergang begleiten.

So träumt Susanne, wohl wissend, dass ihre Eltern in der kleinen Wohnung ohne Garten niemals die Anschaffung eines Haustieres gestatten würden. Doch auch ohne Haustier hat das blonde Mädchen viel Abwechslung in seinem Leben. Da ist zum ersten der kleine Bruder Robert, der nach ihrer Meinung alles sieht, alles hört und alles versteht. Da ist der Freund Ralf, mit dem sie durch ihr Städtchen stromern kann - was heute nur noch wenige Kinder allein dürfen - , und da ist Fräulein Binni mit dem kleinen Lebensmittelladen. Hier spielen Susanne und Ralf doch tatsächlich so lange mit Bockwürsten herum, bis diese aus Versehen in ein Gurkenfass fallen. Sie werden wieder auftauchen, glaubt Susanne. Wenn eine richtige Bockwurst erst einmal untergegangen ist, dann taucht sie auch nicht wieder auf, meint dagegen Ralf.

Vieles an der 1982 zum ersten Mal erschienen Geschichte der Widerstandskämpferin und Autorin Lilo Hardel erinnert an Kinder von heute, ihre Wünsche und Sorgen, ihre Freuden und Probleme, ihr Leben ein paar Wochen vor dem Beginn der Schulzeit. Für Susanne hält diese Zeit noch ein großes Abenteuer bereit, denn sie fährt mit ihren Eltern und dem kleinen Brüderchen in ein Dorf in der Nähe der Ostsee, in dem ihr Großvater wohnt. Dort finden Susanne und Robert neue Freunde und Freundinnen, Susannes Herzenswunsch nach einem Haustier geht in Form von Großvaters Hündin Bella in Erfüllung und auch der vorher ein wenig ob seiner Brummigkeit gefürchtete Großvater erweist sich als grundgütiger und liebenswerter Mensch. Irgendwie fügt sich aber auch alles in Susannes Leben am Ende so wunderbar ineinander, dass man es fast nicht glauben kann. Selbst, als sie mit den neuen Freundinnen auf eigene Faust ans Meer aufbricht, schilt sie niemand wegen dieser höchst gefährlichen Eigenmächtigkeit. Und als der geliebte Großvater nur wenige Wochen nach dem Besuch seiner Familie das Zeitliche segnet, wird Susannes Trauer darüber vom Erscheinen Bellas gedämpft. Der Vater hat Großvaters Hündin mit in Susannes Stadt gebracht. Hier bekommt Bella einen Platz als Horthund in Susannes Schule, womit die Geschichte des liebenswerten kleinen Mädchens endgültig ins Märchenreich abdriftet.

Aber nichts gegen Märchen, vor allem dann nicht, wenn sie einmal wenig blutrünstig und grausam daherkommen. Jedes Vorschulkind wird sich gern mit Susanne über ihre Erlebnisse freuen.

Lilo Hardel: Die lustige Susanne. Illustrationen von Martin Peter. LeiV Verlag. 136 S., geb., 10,90 €.

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