Zu krank, um Deutsch zu lernen

Bundesverwaltungsgericht gibt zwei Migrantinnen im Rechtsstreit um Einbürgerung recht

  • Sven Eichstädt, Leipzig
  • Lesedauer: 3 Min.
Damit man als Ausländer eingebürgert werden kann, muss man nicht zwingend Deutsch können. Eine Vorstrafe als Jugendlicher kann hingegen an einer Einbürgerung hindern.

Die Richter des zehnten Senats des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig haben sich in ihrem Urteil vom Donnerstag den Auffassungen der Richter beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen von Januar 2010 und beim Oberverwaltungsgericht Münster von Januar 2013 angeschlossen. Diese hatten darüber entschieden, dass das Beherrschen der deutschen Sprache nicht zwingend erforderlich für eine Einbürgerung ist. Die Bundesrichter teilten nicht die Ansicht der Stadt Bochum, dass zwei 1988 und 1992 aus Iran und der Türkei nach Deutschland gekommene Frauen während ihres recht langen Aufenthalts in Deutschland genügend Zeit gehabt hätten, Deutsch zu lernen.

Der Vorsitzende Richter Uwe-Dietmar Berlit erinnerte zwar daran, dass generell für eine Einbürgerung vorausgesetzt wird, dass ein Ausländer über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. Allerdings wurde in das Staatsangehörigkeitsgesetz im Jahr 2007 ein Absatz eingefügt, wonach die Beherrschung der deutschen Sprache nicht erforderlich für die Einbürgerung ist, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder altersbedingt nicht erfüllen kann.

»Für die Anwendung dieses Ausnahmetatbestands kommt es nach dem Wortlaut und dem systematischen Zusammenhang nur auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung über den Einbürgerungsantrag an«, führte Berlit nun an. »Ob der Ausländer in der Vergangenheit ausreichende Sprachkenntnisse hätte erwerben können, ist auch nach der Entstehungsgeschichte sowie dem Sinn und Zweck der Vorschrift ohne Bedeutung.«

Der Vorsitzende Richter ergänzte, dass der Gesetzgeber die Sprachanforderungen bei der Einbürgerung im Laufe der Zeit zwar »kontinuierlich verschärft« habe, zugleich aber mit der genannten Änderung von 2007 auch eine »Ausnahmeregelung zugunsten von kranken oder behinderten Personen sowie Personen geschaffen hat, die diese Anforderungen aufgrund ihres Alters nicht mehr erfüllen können«. Da die beiden Frauen aus Iran und der Türkei, die 1939 und 1940 geboren worden sind, »mit Ausnahme des Spracherfordernisses alle Einbürgerungsvoraussetzungen erfüllen, die notwendigen Sprachkenntnisse aber krankheitsbedingt nicht mehr erwerben können«, entschieden die fünf Richter in Leipzig, dass sie einzubürgern sind.

Anders entschieden die Richter des zehnten Senats im Verfahren eines 31-jährigen Türken, der gegen den Landkreis Bad Kreuznach geklagt hatte und nun nach der höchstrichterlichen Entscheidung keine Aussicht auf eine Einbürgerung hat. Der Mann war 1996 in die Bundesrepublik gekommen und hatte im Jahr 2010 einen Antrag auf Einbürgerung gestellt, den der Landkreis im April 2011 abgelehnt hatte.

Für den Mann wirkte sich eine Jugendstrafe wegen Bedrohung in Tateinheit mit dem Führen einer Schusswaffe und gefährlicher Körperverletzung negativ aus, zu der er im Jahr 2002 verurteilt worden war. Diese Strafe von zehn Monaten Freiheitsentzug war damals zur Bewährung ausgesetzt worden. Die Strafe war 2005 vom Jugendgericht erlassen worden, der »Strafmakel war damit beseitigt«, wie es in der Juristensprache heißt.

Richter Berlit verwies zur Begründung dieses Urteils darauf, dass die »Verurteilung zu einer Jugendstrafe einer Anspruchseinbürgerung materiellrechtlich zwingend entgegensteht«. Die Bundesrichter vertraten die Ansicht, dass die Behörde in Bad Kreuznach die Verurteilung des Mannes, die ihr durch die Ausländerakte bekannt geworden war, auch berücksichtigen durfte. »Allein die Beseitigung des Strafmakels durch das Jugendgericht nach Ablauf der Bewährung und Erlass der Jugendstrafe begründete kein materielles Verwertungsverbot«, fügte der Vorsitzende Richter an. »Die Entmakelung hatte zwar zur Folge, dass die Registerbehörde der Staatsangehörigkeitsbehörde diese Verurteilung nicht mehr mitteilen durfte.« Ein materielles Verwertungsverbot entstehe aber erst mit der Tilgung aus dem Register, die im Fall des Türken bei weiterer Straffreiheit erst 2017 erfolgen werde.

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