Erst Hockey, dann Fußball gucken
Die Niederländer lassen sich die WM in Den Haag viel kosten - die Fans kommen in Scharen
Durch den Hockey-Park im Süden von Den Haag fegt ein heftiger Wind. Die großen Zelte auf dem WM-Gelände ächzen, im 15 000 Zuschauer fassenden Hauptstadion wirbelt eine besonders heftige Böe eine schwere Plexiglasbande in Richtung des Kunstrasens - bei einer Veranstaltung, um die auch vorab schon viel Wind gemacht worden war. Tina Bachmann etwa, letzte Verbliebene der Olympiasiegerinnen von 2004, sah ein »Hammerturnier« am Horizont aufsteigen. Und Frauen-Bundestrainer Jamilon Mülders war sich sicher, Den Haag werde »einen Meilenstein« in der Geschichte großer internationaler Hockey-Events setzen.
In gut einer Woche werden die neuen Weltmeisterinnen und Weltmeister gekürt - und gleich danach wird das künstliche Grün wieder eingepackt und gegen ein anderes ausgetauscht, denn normalerweise spielt in der großen WM-Arena der ADO Den Haag: ein Fußballklub, Tabellenneunter der abgelaufenen Saison in der Ehrendivision und seit dem Winter in Sachen Kunstrasen auf den Geschmack gekommen.
Doch künstliches Geläuf im Hockey und im Fußball sind zwei grundverschiedene Dinge. Um die Fußballer bald wieder auf ihrem Rasen trainieren zu lassen, müssen die Krummstockspezialisten ihre WM also noch vor jener der Fußballer austragen. Danach wäre vielen Protagonisten deutlich lieber gewesen. Männer-Bundestrainer Markus Weise etwa, der lakonisch sagt: »Wenn du etwas mit dem Fußball zusammen machst, musst du auch den entsprechenden Preis zahlen.«
Die Organisatoren aus Oranje-Land haben sich also nicht lumpen lassen. Stolze 19 Millionen Euro beträgt das Budget für den globalen Hockeywettstreit in Den Haag, den Frauen und Männer gemeinsam begehen. Zum Vergleich: Bei der Männer-WM 2006 in Mönchengladbach lag der Etat bei rund zwei Millionen Euro. Diesen Unterschied spürt man in jedem Winkel des Areals zwischen der großen und der kleineren WM-Arena, in die auch noch 5000 Menschen passen. So ist der Boden des weitläufigen Speisepavillons komplett mit rustikalem, erkennbar kostspieligem Holz ausgelegt, und rundherum reihen sich Kleinhockeyfelder, riesige Leinwände, auf denen die Partien übertragen werden, VIP-Zelte sowie unzählige Imbissbuden und Souvenirshops aneinander.
Und das Hockey-Volk strömt herbei, nahezu jeder Platz im Restaurant auf Zeit ist besetzt - an einem Werktag nachmittags um drei, zumal die Niederländer, anders als Bundestrainer Weise, die Idee, ihr Turnier und die Fußball-WM fließend ineinander übergehen zu lassen, geradezu charmant fanden. Dafür passten die hiesigen Veranstalter, ganz pragmatisch, den eigenen Spielplan dem der WM in Brasilien an. So tragen die niederländischen Hockeyspieler ihre Partien bis zum 12. Juni hübsch arbeitnehmerfreundlich abends um viertel vor acht aus. Ab dem 13. Juni jedoch, wenn Oranjes Fußballer in Salvador zum ersten Gruppenspiel ab 21 Uhr gegen Weltmeister Spanien antreten, wird schon um 18 Uhr angepfiffen - und im Anschluss an die Halbfinals gemeinsam Fußball geguckt. Im Schatten der beiden Hockeystadien. Ein Flair, das dann auch Markus Weise gefällt. »Das ist schon alles toll organisiert und super aufgestellt«, sagt er. »So hätte man das gern immer. Von daher setzt Den Haag einen neuen Standard für WM-Ausrichter.«
Die Krux dabei: Kein anderes Land hat die Kapazität, um Frauen- und Männer-WM parallel an einem Ort zu organisieren. Seit 1986 tragen beide Geschlechter ihre Weltturniere im selben Jahr aus, und Den Haag ist erst der zweite Austragungsort, der eine Doppelveranstaltung anbietet. Nach dem 60 Kilometer entfernten Utrecht im Jahr 1998.
Nun läuft der Neuaufguss, wobei Richard Charlesworth bei der hochgelobten WM in Südholland längst nicht alles gut findet. Auch der Trainer der Australier formuliert zunächst zwar warme Worte, nennt die Anlagen in Den Haag »fantastisch«. Aber dann kommt der 62-Jährige auf den Alltag und die Ungleichbehandlung der Teams zu sprechen. »Wir mussten nach unseren Spielen vor der Menge fliehen und uns durch den öffentlichen Bereich zu den Bussen zwängen. Die niederländischen Teams müssen das nicht. Sie werden beschützt«, berichtet Charlesworth und grummelt: »Ich weiß nicht, ob dieser Punkt besonders gut gelöst ist.«
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