- Kommentare
- Meine Sicht
Multikulti Ballermann
Martin Kröger über Karneval und die sich wandelnde Metropole
Bunt, friedlich und tolerant. Das ist die (politische) Botschaft, die vom Karneval der Kulturen ausgehen soll. Das gelang auch in diesem Jahr - allerdings nur mit Abstrichen. Denn bei dem Multikulti-Spektakel sind nach nunmehr 19 Jahren deutliche Verschleißerscheinungen zu spüren. Zwar geht es angesichts der großen Masse von über 700 000 Besuchern und des in Strömen fließenden Alkohols immer noch vergleichsweise friedlich zu. Aber eine fortschreitende Ballermannisierung ist nicht zu übersehen: Flaschenmeere, Müll und Gedränge spiegeln das wider.
Karneval der Kulturen, Myfest und Christopher Street Day, die drei Großevents der Metropole, entfernen sich immer mehr von ihren politischen Wurzeln und entwickeln sich zur immer gleichen Open-Air-Sause. Dabei gibt es bei den sommerlichen Großereignissen durchaus Bemühungen, diese zu repolitisieren. Das ist auch dringend nötig. Schließlich wird Berlin tatsächlich immer internationaler. Auf dem Straßenfest beim Karneval der Kulturen war dies beispielsweise auch daran zu sehen, dass es mehr spanische, griechische und italienische Stände gab. Die soziale Not Südeuropas treibt die Menschen nach Berlin. Über eine halbe Million Menschen mit ausländischen Wurzeln aus über 180 Nationen leben inzwischen in der Metropole.
Zugleich gibt es aber weiter Rassismus und Homophobie, die politischen Botschaften des Karnevals und des Christopher Street Days sind also weiter aktuell, wie Übergriffe von Rechtsextremen aus den vergangenen Wochen zeigen. Vielleicht ist ein kleines, feines Solidaritätsfest für einen Gastwirt mit ägyptischen Wurzeln wie in Friedrichshain aber ein deutlicheres Zeichen als durchzechte Stunden auf dem Multikulti-Ballermann.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.