Nachzucht der Unheiligen Allianz
Einflussreiche Gäste aus Moskau mit dem Willen zur Reintegration der Sowjetrepubliken als absolute Monarchie, viel Geld und einer Vorliebe für Rauschebärte
Weder Zeit noch Ort blieben dem Zufall überlassen. In Wien, wo 1814 ein erzreaktionärer Klüngel den Sieg über Napoleon nutzte, um Europa erneut die Zwangsjacke der gottgewollten absoluten Monarchie anzuziehen, rottete sich fast punktgenau 200 Jahre später die Nachzucht der Unheiligen Allianz zusammen.
Bei dem Geheimtreffen europäischer Rechtspopulisten und russischer Ultranationalisten zu christlichen Grundwerten in Europa saß auch der Chefideologe der »Eurasischen Bewegung«, der Russe Alexander Dugin. am Tisch. Als Organisator und Sponsor wurde sein Landsmann, der Oligarch Konstantin Malofejew genannt. Beiden genießen in ihrer Heimat einen Ruf wie Donnerhall.
Der 40-jährige Malofejew ist mit seinem geschätztem Privatvermögen von rund zwei Milliarden US-Dollar ein eher kleines Licht in Russlands Goldener Horde. Seine Finanzholding Marshall Capital hält jedoch zehn Prozent der Anteile von Rostelekom und ist damit nach dem russischen Staat größter Aktionär des Quasi-Monopolisten für Festnetztelefonie. 2012 soll er - allerdings erfolglos - auch versucht haben, die Besitzer des russischen Facebook-Analogs zum Verkauf ihrer Anteile zu nötigen. Dafür hat Marshall Capital, das die Liga für Sicherheit im Internet - eine kremlnahe nichtstaatliche Organisation - finanziert, beste Chancen, von der staatlichen Aufsichtsbehörde mit der Führung des Registers »schwarzer« - sprich: verdächtiger - Websites beauftragt zu werden.
Teile seines Vermögens hat Malofejew in karitativen Stiftungen geparkt, die der Russisch-Orthodoxen Kirche nahe stehen. Malofejew ist Mitglied des Rates zum Schutz von Familie und Mutterschaft beim Moskauer Patriarchat und fiel schon während des Jura-Studiums an der Moskauer Lomonossow-Universität als ein durchaus militanter Knecht Gottes auf.
Moralinsaurer Eiferer vor dem Herrn und Vordenker eines eurasischen Superstaates, der durch Reintegration der ehemaligen Sowjetrepubliken entstehen soll - im Idealfall durch eine aufgeklärte, aber absolute Monarchie - ist auch Alexander Dugin. Mit seinem Vorbild Alexander Solschenizyn, dem selbsternannten Gewissen der Nation, verbindet den 52-Jährigen neben weltanschaulichem Wildwuchs auch die Vorliebe für naturbelassene Rauschebärte.
Für eine Eurasische Union, deren Gründungsverträge die Präsidenten Russlands, Belarus› und Kasachstans Ende Mai unterzeichneten, trommelte Dugin schon in den Neunzigern bei Vorlesungen im Generalstab. Damit und mit der Unterstützung seiner Eurasischen Bewegung für die linksradikale Nationalbolschewistische Partei des Schriftstellers Eduard Limonow, die auf ähnlichen Positionen stand, machte er sich damals aber bei Russland Präsidenten Boris Jelzin höchst unbeliebt. Euphorisch begrüßte Dugin daher den Machtantritt Wladimir Putins: Dieser werde Russlands Eliten einen und die westlichen und jüdischen Netzwerke, von denen sie infiltriert seien, zerschlagen.
Mit Dugin selbst ging es fortan jedenfalls steil aufwärts. Bis dahin Herausgeber großrussischer Pamphlete mit Miniauflagen wie beim Samisdat, ist er inzwischen Professor und Inhaber des Lehrstuhls für Soziologie internationaler Beziehungen an der Staatlichen Lomonossow-Universität,
Westliche Experten dichten ihm sogar einen Einfluss auf Putin an, wie Rasputin ihn einst auf den letzten Zaren besaß. Doch das ist höchst unwahrscheinlich. Dafür darf Dugin seine kruden Visionen zur besten Sendezeit in Talkshows staatsnaher Medien verbreiten, die von Brüdern im Geiste moderiert werden.
Unwidersprochen forderte Dudin dort im April, als die Nation noch in den Nachwehen des kollektiven Rausches über den Russland-Beitritt der Krim lag, Europa auf friedlichem Weg zu einem russischen Protektorat zu machen. Nur so könne das christliche Abendland vor Schwulen-Ehen und vor sich selbst geschützt werden.
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