Schnüffeldaten fließen ungehemmt
Verfassungsschutz beliefert US-amerikanische Geheimdienste mit immer mehr Informationen
Handynummern, Reisebewegungen, Aufenthaltsorte verdächtiger Personen - der Verfassungsschutz liefert US-amerikanischen Geheimdiensten offenbar freigiebig Informationen. Auch ein Jahr nach Bekanntwerden des in seinen Ausmaßen einmaligen Skandals der Überwachung durch CIA, NSA und weitere »befreundete« Geheimdienste hat sich an der geheimdienstlichen Praxis nichts geändert, auch die Zusammenarbeit mit den deutschen Geheimdiensten läuft reibungslos. Unter Berufung auf geheime Regierungsunterlagen berichteten »Süddeutsche Zeitung«, WDR und NDR, im Jahr 2013 habe der Verfassungsschutz 1163 Datensätze an die US-Kollegen geliefert. Allein in den ersten drei Monaten dieses Jahres seien es bereits etwa 400 gewesen. Das Ganze sei Teil eines großen Tauschgeschäfts unter »befreundeten Diensten«, berichten die drei Medien. Die deutsche Seite bekomme im Gegenzug Informationen von CIA und NSA.
Die Opposition im Bundestag reagierte auf die neuerlichen Enthüllungen empört. Von »Geheimdienstkumpanei« sprach der Innenexperte der LINKEN Jan Korte. »Es ist völlig inakzeptabel, dass deutsche Sicherheitsbehörden ihre Datenübermittlungen sogar noch ausweiten, während der Generalbundesanwalt nach langem Zögern endlich Ermittlungen gegen NSA und Co. aufgenommen hat.« Kortes Kollege Konstantin von Notz (Grüne) warf dem Verfassungsschutz ein von den NSA-Enthüllungen »offenkundig unberührt gebliebenes, distanzloses und unkritisches Verhältnis« zu den US-Diensten vor. »Wir haben erhebliche Zweifel, dass dieser Informationsaustausch mit verfassungsrechtlichen Vorgaben vereinbar ist.«
Ungerührt bestätigte das Bundesamt für Verfassungsschutz auf AFP-Anfrage die Zusammenarbeit, es halte sich dabei strikt an die gesetzlichen Grundlagen und informiere das zuständige parlamentarische Kontrollgremium des Bundestags »vollumfänglich« über die Datenübermittlungen.
Die Datenübermittlung ist hingegen gerade im Bundestag Anlass für wachsenden Unmut. Die Bundesregierung ließ zum Ärger der Wartenden eine Frist zur Übergabe interner Akten an den NSA-Untersuchungsausschuss verstreichen. Dessen Arbeit gerate dadurch ins Stocken, berichtete die »Tageszeitung«. Die Regierung gibt Umfang und »damit verbundene komplexe Zusammenstellung« der Unterlagen als Grund der Verzögerung an. SPD-Obmann Christian Flisek sprach in der »taz« von »höchst unprofessionellem Vorgehen«.
Als Zeuge im Ausschuss ist auch der US-Geheimdienstexperte Thomas Drake geladen, einst selbst NSA-Mitarbeiter. Der Bundesnachrichtendienst verfügt nach seiner Einschätzung über wesentlich mehr Informationen über Spähaktivitäten der US-Geheimdienste als zugegeben. »Deutschland bräuchte einen eigenen Snowden - einen BND-Insider, der mal auspackt«, sagte Drake der »Berliner Zeitung«.
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