Der stille Triumphator
Basketballstar Tim Duncan führte die San Antonio Spurs zum fünten NBA-Titel
Am Ende stehen Tim Duncan Tränen in den Augen. Als der sonst so stoisch ruhige Center der San Antonio Spurs in der Nacht zum Montag den Meisterpokal der US-Basketballliga NBA in Empfang nimmt, kann er einen Gefühlsausbruch dann doch nicht mehr unterdrücken. »Dies ist der schönste Titel meiner Karriere«, erklärt er anschließend im champagnergetränkten T-Shirt. »Es ist unglaublich, dieses Gefühl noch einmal zu spüren.«
Durch einen 104:87-Heimerfolg über die Miami Heat, den Meister von 2012 und 2013, fuhr Duncans Team den entscheidenden vierten Sieg in der Finalserie ein. Es ist seit 1999 der fünfte Meistertitel für die Texaner in der stärksten Liga der Welt - allesamt gewonnen unter Führung ihres Starspielers Duncan. Das Endergebnis von 4:1 ist überraschend deutlich angesichts der nominellen Stärke des Gegners, der mit LeBron James den weltbesten Spieler in seinen Reihen weiß. Doch das Starensemble aus Florida verzweifelte an dem hocheffizienten Angriffsspiel der Spurs, die mit einer Trefferquote von 52,7 Prozent einen Finalrekord aufstellten. Damit nahm San Antonio erfolgreich Revanche für die Finalniederlage im Vorjahr. 2013 führten die Spurs bereits mit 3:2 Siegen und lagen auch im sechsten Spiel bis kurz vor Schluss scheinbar komfortabel in Führung, bevor sie sich doch noch geschlagen geben mussten.
Duncan selbst hatte dieses Mal entscheidenden Anteil am Erfolg, kam in den fünf Finalpartien auf 15,4 Punkte und zehn Rebounds im Schnitt. Zum wertvollsten Spieler der Serie wurde allerdings der erst 22-jährige Kawhi Leonard ernannt, der im fünften Spiel mit 22 Punkten zum dritten Mal in Serie bester Werfer der Spurs war. Bei Miami ragte James einmal mehr heraus, doch auch seine durchschnittlich 28,2 Punkte konnten den Triumph San Antonios nicht verhindern. »Das bessere Team hat gewonnen, wir haben einfach keine Mittel gegen sie gefunden«, lobte James die neuen Titelträger.
Für Tim Duncan könnte der Triumph der perfekte Schlusspunkt seiner 17-jährigen Karriere sein. Mit ihm gewann San Antonio neben fünf Meisterschaften in jeder Saison mindestens 60 Prozent seiner Spiele - eine einzigartige Statistik in der NBA-Historie. Zweimal wurde er zum MVP, also zum wertvollsten Spieler der gesamten Liga, gekürt, 14 mal ins All-Star-Team gewählt. Auszeichnungen, auf die Duncan auch verzichtet hätte, denn nur dem Erfolg des Teams ordnet er alles unter. Bereitwillig verzichtet er seit Jahren auf viele Millionen Dollar Gehalt, die dem Klub so zur Verpflichtung guter Ergänzungsspieler blieben. Statt Werbeverträgen besitzt der Vater zweier Kinder ein Geschäft für Autoersatzteile, Interviews gibt er nur im Rahmen offizieller NBA-Termine.
In einer Liga der schillernden Superstars ist Duncan die perfekte Antithese. Er springt nicht so hoch wie andere, feiert Punkte nicht mit extravaganten Jubelposen. Dass er 2012 in einer Umfrage unter 18 000 Fans kein einziges Mal als Lieblingsspieler genannt wurde ist Ausdruck seines Daseins abseits des Rampenlichts.
Nun könnte der Star, der keiner sein will, seinen letzten großen Auftritt gehabt haben. Dass er diesen auf einem Basketballcourt hinlegt, war für Duncan allerdings lange nicht absehbar gewesen. Als Teenager war der von den Amerikanischen Jungferninseln stammende Duncan ein ambitionierter Schwimmer, dem Chancen auf eine Teilnahme an den Olympischen Sommerspielen 1992 eingeräumt wurden. Erst als Hurricane Hugo 1989 das einzige wettkampftaugliche Schwimmbecken der Insel zerstörte, sattelte der schüchterne Junge um und versuchte sich im Basketball.
Sein Ausnahmetalent brachte ihm ein Stipendium an der Wake Forest University ein, an der er trotz zahlreicher Lockrufe aus der NBA vier Jahre verblieb - er hatte schließlich seiner verstorbenen Mutter einen Studienabschluss versprochen. 1997 verpflichteten ihn die Spurs und starteten mit ihm eine Erfolgsstory, die seitdem seinesgleichen sucht. Und in der Nacht zum Montag nun vielleicht ihr perfektes Ende gefunden hat.
Über seine Zukunft äußerte sich Tim Duncan nach dem Spiel übrigens mit keinem Wort. Warum auch? Es würde ja doch nur Aufmerksamkeit erregen.
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