Erinnern mit Schlagseite in Berlin-Rummelsburg
In der Gedenkstätte Hohenschönhausen wurde das siegreiche Modell für den neuen Gedenkort vorgestellt
Ausgerechnet in der Gedenkstätte Hohenschönhausen, der ehemaligen zentralen Untersuchungshaftanstalt der Staatssicherheit, fand die Präsentation statt. Gezeigt und erläutert wurden am Mittwochmittag die Modelle für den »Informations- und Gedenkort Rummelsburg«, dem ehemaligen Arbeits- und Bewahrungshaus in Kaiser- und NS-Zeit sowie des Gefängnisses während der DDR.
Hohenschönhausen ist ein Symbol für die Repression in der DDR – geleitet wird die Gedenkstätte von Hubertus Knabe, dem umstrittenen Historiker und Publizisten, dem von Kritikern eine stramm-konservative und antikommunistische Haltung vorgeworfen wird. Und Knabe ließ es sich nicht nehmen, einleitende Worte zur Präsentation vor allem des Siegermodells zu verlieren. Er begründete die Wahl des Präsentationsortes damit, dass viele die in Hohenschönhausen verhört worden sind, im Anschluss in Rummelsburg einsaßen. »Rummelsburg gehört irgendwie auch zu Hohenschönhausen«, sagt Knabe.
Das unterstrich der Bezirksbürgermeister von Lichtenberg, Andreas Geisel (SPD), mit dem Hinweis, dass beide Ortsteile zu Lichtenberg gehören. Er räumte ein, dass Berlin und der Bezirk versäumt haben, sich über die Geschichte des Areals in Rummelsburg bewusst zu werden. Die Initiative für das Gedenken an den Ort sei von Bewohnern der dort vor wenigen Jahren entstandenen Wohnungen ausgegangen. Unter Einbezug des »Runden Tischs Rummelsburg« habe man die Frage gestellt: »Wie stellt man diesen Ort da, an dem über drei Zeitperioden hinweg drei Opfergruppen haben leiden müssen?«
Reiner E. Klemke, ehemaliger Museums- und Gedenkstättenreferent Berlins, aber noch mit Rummelsburg federführend beschäftigt, stellte das siegreiche Modell vor. Es stammt von der Arbeitsgemeinschaft um Helga Lieser und überzeuge durch seine Klarheit und Strukturiertheit, wie Bezirksbürgermeister Geisel erläuterte. Das Konzept besteht aus unterschiedlich, gestalterisch aufeinander abgestimmten Säulen. Drei unterschiedlichen Materialien stehen für die Epochen DDR, Nationalsozialismus und für die Zeit davor.
Robert Sommer, Historiker und Noch-Mitglied des Runden Tisches, kritisiert im »nd« die Präsentation in der Gedenkstätte Hohenschönhausen. »Damit würde in schockierender Weise die DDR-Geschichte des Gefängnisses Rummelsburg in den Vordergrund gerückt.« Das Wort Arbeitshaus habe er auf der Veranstaltung nicht einmal gehört. Doch Rummelsburg sei über die meiste Zeit genau das gewesen. Hubertus Knabes Versuch, Rummelsburg in Hohenschönhausen einzugliedern, habe nichts mit einer ausbalancierten Geschichtsschreibung zu tun. »Das grenzt an Geschichtsfälschung«, sagt Sommer. Die Konsequenz: Der Historiker wird den Runden Tisch verlassen.
Kritik kommt auch vom Arbeitskreis »Marginalisierte gestern und heute«. Dieser hatte das Erinnern an die Geschichte von Rummelsburg mit angestoßen, dann aber den Runden Tisch verlassen. Die Begründung: »Die Singularität des Nationalsozialismus müsse deutlich erkennbar sein«, sagt Lothar Eberhardt. Durch die Auslobung des Wettbewerbs sah der AK dies nicht gewährleistet (gleichwohl beteiligte er sich an der Ausgestaltung des Denkmals).
Dass die DDR-Zeit von Rummelsburg zurzeit dominiert, zeigt sich auch daran, dass es bereits eine App für die DDR-Zeit gibt, nicht jedoch für die NS-Periode. Zwar solle dies Klemke zufolge nachgeholt werden – sofern das Geld reicht. Auch auf der Website »Orte der Repression in SBZ und DDR« wird die lange Vorgeschichte nicht erwähnt. Die Bedenken des Historikers Sommer und des AKs scheinen sich somit zu bestätigen. Das zeigt auch die Finanzierung: Der Preisträgerentwurf wird bis Ende dieses Jahres aus Mitteln des Bezirks Lichtenberg sowie aus Mitteln des Mauerfonds der Senatskanzlei realisiert werden.
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