Kanzlerin soll Mietern helfen
Der Bund als Spekulant: Verkauf seiner Wohnungen nur zum Höchstpreis
»Der Verkauf erfolgt zum Höchstangebot.« Dieser Satz ist es, der bei den Mietern der Häuser Katzlerstraße 10 und 11 sowie Großgörschenstraße 25, 26 und 27 in Schöneberg die Alarmglocken schrillen ließ. Er steht in einem Verkaufsprospekt der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima), die die Immobilien des Bundes in Berlin verwaltet. Rund 5000 Wohnungen besitzt der Bund in Berlin, darunter die in der Katzler- und Großgörschenstraße. 1700 von ihnen sollen bis 2018 verkauft werden, und zwar möglichst teuer.
Den 48 betroffenen Mietern in Schöneberg schwant deshalb nichts Gutes. »Die Preise, die da verlangt werden, können über die bestehenden Mieten nicht refinanziert werden«, sagt der Sprecher der Bewohner, Thomas Hölker. Als werde der Erwerber die Wohnungen in Eigentum umwandeln oder teuer modernisieren. »Für die meisten von uns wäre das das Ende hier«, befürchtet er. Derzeit liegen die Quadratmetermieten in den beiden Eckhäusern zwischen vier und fünf Euro. »In den luxussanierten Häusern der Umgebung werden schon elf Euro verlangt, da sieht man, wohin die Reise geht.« Viele der ehemaligen Mieter dort hätten schon wegziehen müssen.
Die Mieter können nicht verstehen, dass CDU und SPD Wahlkampf mit der Mietpreisbremse gemacht haben, »jetzt aber den angespannten Wohnungsmarkt ausnutzen und unsere Häuser als Spekulationsobjekte auf den Markt bringen«, schimpft Hölker. Sie fordern den Verkauf an eine Genossenschaft oder städtische Gesellschaft. Ein solcher Versuch ist allerdings schon gescheitert. Die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Gewobag stieg aus den Verkaufsverhandlungen mit der Bima wieder aus, weil der Preis zu hoch war. Dem Vernehmen nach verlangte die Bima 7,1 Millionen Euro, 20 Prozent über dem Angebot der Gewobag. Die hatte dafür Einnahmen aus dem Mietspiegel zu Grunde gelegt. Mehr könne nur bezahlen, wer auf eine neue Vermietung spekuliert, bestätigte das Unternehmen die Befürchtungen der Mieter.
Die haben sich in ihrer Sorge an die verschiedensten Instanzen geschrieben, von der Bima über den Finanzminister bis zur Bundeskanzlerin. »Daraufhin hat sich bei mir ihr persönlicher Referent gemeldet und versichert, dass er bei passender Gelegenheit ihr gegenüber meinen Brief erwähnen werde. Angela Merkel bekommt ihn also gar nicht zu sehen«, ist Barbara Tharra aus der Großgörschenstraße 27 enttäuscht.
Ansonsten bekamen die Mieter immer nur zu hören, dass die Bima gar nicht anders handeln könne. Sie sei aufgrund der haushaltsrechtlichen Bestimmungen zur wirtschaftlichen Verwertung ihrer Liegenschaften verpflichtet, was auch für Wohnimmobilien gelte. Deshalb sei sie gehalten, »im Rahmen eines Bieterverfahrens zum Höchstgebot zu verkaufen«, schrieb ein Abteilungsleiter aus dem Bundesfinanzministerium.
Eine Praxis, die zunehmend in die Kritik gerät. »Die Grundstücke im Bundeseigentum sollten nicht nur fiskalischen Interessen dienen«, fordert Berlins SPD-Landeschef Jan Stöß. Selbst bei der CDU beginnt ein Umdenken. »Der Bund spricht immer von bezahlbarem Wohnraum. Wo er Einfluss hat, muss er auch handeln«, sagt der Berliner Bundestagsabgeordnete Kai Wegner. Trotzdem wurde am Donnerstag der Antrag der Grünen im Abgeordnetenhaus, beim Bund einen Verkaufsstopp zu erwirken und sich für ein neues Bima-Gesetz einzusetzen, in die Ausschüsse verbannt. SPD und CDU denken jetzt aber immerhin über eine Bundesratsinitiative nach, um die Verkaufspolitik zu ändern.
Die Bima hat unterdessen die Frist zur Abgabe der Kaufangebote für die Schöneberger Objekte um einen Monat auf Ende Juni verlängert. »Die sind verunsichert«, wertet Barbara Tharra dies als kleinen Erfolg ihrer Initiative. Besichtigungstermine seien wegen der Proteste schon abgesagt worden, und sie würden auch nicht mehr bekannt gegeben. »Aber wir haben sie trotzdem rausgekriegt: Der nächste soll am 26. Juni sein.«
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