Poroschenko verkündet einseitige Waffenruhe
Aufständische: »Niemand wird die Waffen niederlegen« / Warten auf Friedensplan für die Ostukraine / Berichte über 14-Punkte-Papier – aber offenbar noch Streit in der ukrainischen Führung
Berlin. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hat eine einseitige Waffenruhe ab Freitagabend angekündigt. Die einwöchige Feuerpause solle den als prorussisch bezeichneten Kräften in der Ostukraine Gelegenheit geben, ihre Waffen niederzulegen, sagte Poroschenko am Freitag bei seinem ersten Besuch in der Unruheregion Donezk seit seinem Amtsantritt am 7. Juni. Die Waffenruhe soll der erste Schritt eines Friedensplans sein, der nach Medienberichten auch eine »Dezentralisierung der Macht« im Land vorsieht. Die Feuerpause diene dazu, »dass die Terroristen ihre Waffen niederlegen können«, hieß es. »Diejenigen, die das nicht tun, werden vernichtet«, teilte zuvor die Präsidialverwaltung mit.
Der Kreml kritisierte die Pläne Poroschenkos als »unzureichend«. Die einwöchige Waffenruhe der Regierungskräfte sei kein Schritt hin zu einem Friedensprozess, sondern lediglich eine Aufforderung an die »Volkswehr« zur Kapitulation, teilte der Kreml am Freitag in Moskau mit. Es fehle das »zentrale Element«, nämlich ein Angebot zum Dialog.
Die Aufständischen teilten mit, dass sie den Ankündigungen nicht glaubten. »Wir haben schon hundertmal von einer Waffenruhe seitens der Nationalgarde und der ukrainischen Armee gehört. Aber die Militäroperationen hören keine Minute auf«, sagte der Donezker Separatistenanführer Andrej Purgin. Beenden könne das Feuer nur der Oligarch Igor Kolomojski, der als Gouverneur von Dnjepropetrowsk eigene regierungstreue Truppen finanziere. »Niemand wird die Waffen niederlegen«, sagte auch der Anführer Miroslaw Rudenko.
Der Linkenpolitiker Alexander Neu sagte, der Waffenstillstand sei der Versuch Poroschenkos, »die Schuldfrage an einer fortgesetzten militärischen Auseinandersetzung auf die Aufständischen zu verlagern«. Der Tenor sei: »Würden sie auf das wohlmeinende Angebot eingehen, so wäre weiteres Blutvergießen gestoppt. Lehnen die Aufständischen das Angebot ab, so tragen sie die Alleinschuld für alle weiteren Opfer.« Neu sagte, Poroschenkos Waffenruhe sei »kein politischer Lösungsansatz, weshalb das Angebot für die Aufständischen vermutlich nicht akzeptabel ist. Es ist im Prinzip nur ein Kapitulationsangebot.«
Derweil ließ der mit Spannung erwartete Friedensplan von Präsident Petro Poroschenko auf sich warten. Der Staatschef wolle »den von blutigen Kämpfen erschütterten Osten der Ukraine mit einem Friedensplan zur Ruhe bringen. Doch einige in seiner Umgebung wollen lieber das Kriegsrecht, um weiter mit Gewalt gegen Separatisten vorzugehen«, hieß es in einer Korrespondenz der dpa. Der Staatschef bespreche das Papier zunächst mit Außenminister Pawel Klimkin sowie dem Sicherheitsrat und ausländischen Diplomaten, teilte das Presseamt des Präsidenten in Kiew am Freitag mit. Der Vizechef der Präsidialverwaltung, Waleri Tschaly, sprach von komplizierten Diskussionen. »Bisher gibt es den allgemeinen Wunsch, den Plan noch heute zu veröffentlichen«, sagte Tschaly. Poroschenkos Sonderbeauftragte Irina Geraschtschenko hatte am Donnerstag gesagt, der Präsident wolle die Initiative am Freitag vorstellen. Auch eine avisierte Reise Poroschenkos in die Krisenregion Donbass lässt auf sich warten.
Zuvor war über einen Friedensplan mit 14 Punkten für den Osten des Landes berichtet worden. Dieser sehe unter anderem die »Entwaffnung« von Milizen und eine »Dezentralisierung der Macht« im Land vor, berichteten ukrainische Medien am Freitag. Danach sollen die als prorussisch bezeichneten Kräfte im Osten der Ukraine, die keine »schweren Verbrechen« begingen, straffrei ausgehen. Auch wird ein »Korridor für russische und ukrainische Söldner« zum Verlassen der Krisenregion angekündigt. Der Gebrauch der russischen Sprache soll durch Verfassungszusätze geschützt werden. Nicht in dem Papier erwähnt wird die am Mittwoch und auch am Freitag von Poroschenko angekündigte einseitige Waffenruhe. Weiter sieht der Plan eine »Pufferzone« von zehn Kilometern vor, die Behörden in der Krisenregion werden aufgefordert, ihre Arbeit wieder aufzunehmen.
In der Nacht zum Freitag beriet Poroschenko erneut telefonisch mit Putin über den Friedensplan. Nach Angaben des Kremls erläuterte er seine »Schlüsselpositionen und den Zeitplan«, während Putin seinerseits »eine Reihe von Hinweisen« gab und unter anderem »das sofortige Ende des Militäreinsatzes« forderte. Poroschenko ließ mitteilen, er zähle auf die Unterstützung Moskaus. Bislang wurden in dem Konflikt seit April mindestens 365 Menschen getötet. Die Aufständischen besetzen in mehreren östlichen Städten weiterhin Behördengebäude.
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso hat am Freitagnachmittag den zu diesem Zeitpunkt noch nicht veröffentlichten Friedensplan begrüßt. »Das ist eine willkommene Entwicklung, die von allen zur Deeskalation der Lage genutzt werden sollte«, sagte er zur angekündigten Vorlage des Friedensplans. »Das derzeitige Muster von fortgesetzter Gewalt und Opfern ist einfach nicht hinnehmbar.«. Illegale Gruppen müssten entwaffnet werden, »Dialog muss die Waffen ersetzen«. Barroso sagte, die EU unterstütze die Initiative. »Und ich hoffe, dass es sehr schnell Resultate geben wird.« Die EU-Staats- und Regierungschefs wollten nächsten Freitag »die Umsetzung des Plans« besprechen. Agenturen/nd
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