Futterpflanzen und Sickerschlitze
Leipzig entdeckt den Wassertourismus und will die kaffebraune Pleiße entfärben - ein Patentrezept gibt es nicht
Leipzig. Wenn Klaus Häfner über die Pleiße spricht, holt er weit aus. Viele Ideen seien geprüft worden, wie der Fluss von seiner Eisen- und Sulfatlast zu befreien sei, sagt der Referent der oberen Wasserbehörde in der Umweltschutzabteilung der Landesdirektion Sachsen. Ähnlich wie die Spree leidet die Pleiße unter den Folgen des Braunkohletagebaus. Sie ist verockert, kaffeebraun verfärbt. Und je länger Häfner redet, desto klarer wird, dass es wohl keine Patentlösung gibt.
»Der großflächige Braunkohletagebau in der Region Leipzig begann in den 30er Jahren. Das heißt, wir haben seit 80 Jahren Prozesse in der Erde. Das kriegt man nicht in ein paar Monaten aus der Welt«, sagt Häfner. Fast sechs Jahre lief ein Pilotprojekt, um erst einmal zu verstehen, woher die Färbung des Flusses eigentlich rührt. Außerdem sollten Prognosen für die weitere Entwicklung her und Sofortmaßnahmen geprüft werden.
Was in der seit Jahrzehnten nach Kohle durchwühlten Erde vorgeht, wissen die Sanierer inzwischen ziemlich genau. Wegen des Bergbaus war das Grundwasser abgesenkt worden. Eisen in den Kippen und Böden oxidierte. Mit dem Ende des Bergbaus stieg das Grundwasser wieder an - und spült die Eisenverbindungen in die Flüsse. Das ist bei der Pleiße so und auch bei der Spree im Spreewald. Stoppen lässt sich das nicht. Also müssten andere Lösungen her.
Wie es theoretisch funktionieren könnte, wissen die Experten. »Eisen aus dem Wasser zu kriegen, ist das klassische Thema jedes Wasserwerkes«, sagt Häfner. Der Haken: Das scheint kaum bezahlbar. »Wir können nicht alle zwei Kilometer ein Wasserwerk bauen. Und wir können auch nicht viele Millionen für die Wasseraufbereitung ausgeben«, sagt Häfner. das lasse sich wirtschaftlich nicht darstellen. Eine andere Idee wäre, den Fluss aufzustauen. Dann würde sich das Eisen am Boden absetzen. Das aber sei »unrealistisch«, sagt auch Leipzigs Umweltdezernent Heiko Rosenthal.
Die Pleiße fließt durch die Metropole, die jüngst den Wassertourismus entdeckt und Gewässerverbindungen aus der Innenstadt in die gefluteten Tagebaurestlöcher im Umland plant. Ein brauner Fluss passt da nicht. Rosenthal nennt die Sanierung der Pleiße eine »herausfordernde Thematik, die man nicht mit ein, zwei Maßnahmen gelöst bekommt«.
Doch insgesamt gibt sich der Umweltdezernent gelassen. »Das ist vor allem eine ästhetische Frage. Die Färbung hat keine Gesundheitsfolgen für die Menschen.« Jedoch drohe Ärger mit der EU, weil absehbar Schadstoffwerte nicht eingehalten würden. Zudem greife das Sulfat im Fluss Beton an. »Das wissen wir und wir berücksichtigen es bei Neubaumaßnahmen«, sagt Rosenthal.
Da es die eine Komplettlösung nicht gibt, folgen Einzelmaßnahmen. Auf der Kippe Witznitz, aus der ein Großteil des Eisens stammt, soll künftig in großem Umfang Luzerne gepflanzt werden. Der Landwirt, dem die Flächen gehören, habe zugesagt, in den nächsten 21 Jahren die Futterpflanze anzubauen, sagt Abteilungsleiter Martin Herrmann vom Sächsischen Oberbergamt. So bilde sich weniger Grundwasser und der Eiseneintrag in den Fluss gehe zurück.
Auch für andere Kippen im Einzugsgebiet sollen nun neue Nutzungen geprüft werden. Zudem werde erwogen, mit einem Sickerschlitz das Grundwasser vom Eisen zu befreien, sagt Herrmann. Den Hut hat dabei der bundeseigene Bergbausanierer LMBV auf, finanziert wird die Sanierung vom Bund und von Sachsen.
Leipzig mit ihrem braunen Fluss bleibt zunächst nur das Warten. Eine Gefahr für den Tourismus kann Rosenthal nicht erkennen: »Wenn man den Gästen erklärt, dass es sich um eine Bergbaufolgewirkung handelt, dann ist Verständnis da.«
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.