Präventiv eingekesselt

Gericht: Stopp der Blockupy-Demo durch die Polizei war gerechtfertigt

  • János Erkens
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Videoaufnahmen aus dem Polizeihubschrauber sind offensichtlich auch für das geübte Auge unscharf: Wo genau inmitten des kilometerlangen Demonstrationszuges nun eigentlich der »Schwarze Block« ist, den es so dringend im Auge zu behalten gilt, wissen die Beamten in der Luft und auf dem Boden nicht so genau. Unruhig fährt die Kamera von weit oben über die Köpfe der Blockupy-DemonstrantInnen, begleitet von den oft ratlosen Audio-Kommentaren der PolizistInnen.

Die circa 60 ZuschauerInnen im Gerichtssaal des Frankfurter Verwaltungsgerichts lachen und applaudieren immer wieder vereinzelt, während auf einer Leinwand besagtes Video aus der Vogelperspektive läuft, das die Polizei am 1. Juni vergangenen Jahres aufgezeichnet hat.

Die Vorführung dieses Films ist Teil des Prozesses, in dem sich das Land Hessen für sein Vorgehen bei der Blockupy-Demonstration in der Frankfurter Innenstadt vor rund einem Jahr verantworten muss. Laut Werner Rätz, der die Demonstration angemeldet hatte und nun als Kläger auftritt, waren damals etwa 10 000 AktivistInnen angereist, um unter dem Motto »Europäische Solidarität gegen das Krisenregime von EZB und Troika!« gegen die Finanzpolitik der Troika zu protestieren. Für ungefähr 950 von ihnen endete die Demonstration gewaltsamer, für die restlichen TeilnehmerInnen zumindest deutlich schneller, als sie sich vorgestellt hatten: Nur knapp eine halbe Stunde nachdem die Demo am Hauptbahnhof losgezogen war, hatte die Polizei einen Kessel um das vordere Zehntel des Demonstrationszuges gebildet und die Protestierenden zum Teil mit Pfefferspray am Weiterziehen gehindert. Erst in den Abendstunden des heißen Tages durften die DemonstrationsteilnehmerInnen den Kessel wieder verlassen.

Dieses Vorgehen der Polizeibeamten hatte damals bis in die bürgerlichen Medien hinein für Empörung gesorgt. Die Begründung der Polizei-Einsatzleitung stützte sich sowohl damals vor den Medien als auch nun vor Gericht vor allem darauf, dass bei der Demonstration auch das Ums-Ganze-Bündnis beteiligt gewesen sei, das zum Teil aus Mitgliedern der autonomen Antifa bestehe. Von dieser als »schwarzer Block« bezeichneten Gruppe seien gewalttätige Ausschreitungen zu erwarten gewesen, so die Einschätzung der Polizei. Man habe die Situation präventiv deeskalieren müssen, bevor es zu Glasflaschen- oder gar Feuerwerkskörperwürfen hätte kommen können.

Diese Argumentation basiere auf Unrichtigkeiten, Spekulationen und Halbwahrheiten, insistierte nun Werner Rätz vor Gericht. Der Polizei sei nicht in erster Linie an Gefahrenabwehr gelegen gewesen, sondern etwa daran, den Demonstrationszug nicht bis zum Gebäude der Europäischen Zentralbank vordringen zu lassen: »Die Demo möglichst schnell zu stoppen, war Teil des Einsatzkonzeptes und von langer Hand geplant.« Dieses Einsatzkonzept sei ein Verstoß gegen das Versammlungsgesetz und damit schlichtweg rechtswidrig gewesen, so Rätz’ Anwältin Waltraud Verleih. Mit der Sichtung derartig einförmiger Videoaufnahmen ließe sich ein ganzer Tag füllen, so Gerichtspräsident Rainald Gerster, dem wortwörtlich an einem kurzen Prozess gelegen schien: Zwar erst sieben Stunden nach Prozessbeginn, aber ohne Zeugenanhörung fällt gegen 17 Uhr das erstinstanzliche Urteil: Die Klage wurde abgewiesen, das Vorgehen der Polizei sei aus präventiven Gründen gerechtfertigt gewesen. Rätz hatte vor dem Prozess bereits angekündigt, notfalls durch alle Instanzen gehen zu wollen.

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