Kleingeschriebene Kinderrechte
Sie sind jung und unschuldig - UNICEF fordert für Minderjährige besseren Schutz vor Gewalt und Benachteiligung
Das UN-Kinderhilfswerk UNICEF beruft sich gerne auf Malala Yousafzai, jenes pakistanische Mädchen, das Islamisten in den Kopf schossen, einzig weil sie zur Schule ging. Malala überlebte schwer verletzt. Jürgen Haraeus, Vorsitzender von UNICEF-Deutschland, zitierte das Mädchen anlässlich der Vorstellung des diesjährigen UNICEF-Reports am Mittwoch in Berlin: »Ein Buch, ein Stift, und ein Lehrer können die Welt verändern.« Dies sei viel mächtiger als ein Schwert. Für UNICEF ist die genesene Malala mit ihrem unbeirrbaren Mut ein Hoffnungsschimmer in einer teilweise grausamen Welt.
Vor annähernd 25 Jahren, im November 1989, hat die UN-Organisation in Genf die Kinderrechtskonvention verabschiedet. Dieses politische Bekenntnis zu Kinderrechten sei weltweit ein Motor für sozialen Fortschritt geworden, sagte Haraeus. Immerhin sei damit ein Bewusstsein für Verstöße gegen das Kindeswohl erreicht worden. Viele Staaten hätten daraufhin Gesetze reformiert, um Kinder besser zu schützen.
Die Fortschritte seien unübersehbar, sagte auch Marta Santos Pais, UN-Sondergesandte zu Gewalt gegen Kindern: Die Kindersterblichkeit hat sich seit 1989 halbiert; der Anteil arbeitender Kinder ist um ein Drittel reduziert worden. Doch noch immer gebe es eine Lücke zwischen dem Anspruch, jedem Kind zu helfen, und der Wirklichkeit, bemängelte Haraeus. Denn gerade die ärmsten Kinder sind von sozialen und medizinischen Fortschritten ausgeschlossen - in armen wie in reichen Staaten.
Insbesondere der Gewalt gegenüber Kindern müsse besser vorgebeugt werden, fordert UNICEF in seinem diesjährigen Report: Noch immer sei nämlich weltweit jedes dritte Mädchen unter 18 Jahren von früher und erzwungener Heirat bedroht. Teilweise würden sie, wie Malala aus Pakistan oder Schülerinnen in Nigeria, Zielscheiben von Terror. »Wir müssen die Gewalt stoppen«, sagte Pais. Aufgabe von UNICEF sei es, die Missstände ans Licht zu bringen - das sei eine globale Agenda, erklärte die UN-Sondergesandte.
Häufige Ursachen von Gewalt seien Armut der Familien und Überforderung der Eltern, heißt es im Report. Dies betrifft übrigens nicht nur instabile Länder, die von Krieg und Armut betroffen sind, sondern ebenso Europa: Jährlich sterben in den europäischen Staaten rund 850 Kinder an Gewalteinwirkungen.
Auch in Deutschland gebe es Missstände. UNICEF verweist darauf, dass 8,6 Prozent der Kinder langjährige Armutserfahrungen machten. Außerdem würden jährlich rund 40 000 Kinder von Jugendämtern in Obhut genommen, weil die Eltern überfordert seien. »Tendenz steigend«, sagte Haraeus.
Ralf Kleindiek, Staatssekretär im Bundesfamilienministerium, weiß um die Defizite und verwies auf Schritte der Bundesregierung in der Armutsbekämpfung. Dazu zählt er auch den Mindestlohn sowie eine steuerliche Entlastung für Alleinerziehende. Außerdem müsse die Umsetzung der Kinderrechtskonvention ernster genommen werden, erläuterte Kleindiek. Dafür sollen zum einen Kinderrechte im Grundgesetz verankert werden, um Minderjährigen unabhängig von Familie und Staat Schutz zu gewährleisten. Zum anderen sei eine Monitoringstelle für die Kinderrechte geplant, die sich den Problemen von Kindern annehmen soll, erläuterte der Staatssekretär.
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