Bundestag gibt grünes Licht für Ökostromreform

Opposition wirft Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) vor, Interessen der Wirtschaft zu bevorzugen

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Berlin. Nach einem heftigen Schlagabtausch hat der Bundestag die umstrittene Ökostromreform der großen Koalition beschlossen. Mit verbindlichen Ausbauzielen, Förderkürzungen und mehr Wettbewerb sollen die Kosten beim Grünstrom-Ausbau bis 2017 zumindest stabil bleiben.

Bei der Abstimmung gab es am Freitag 454 Ja-Stimmen bei 583 abgegeben Stimmen. Das entspricht einer Zustimmung von 77,9 Prozent. Gegen die Reform votierten 123 Parlamentierer, 6 enthielten sich.

Ob das zentrale schwarz-rote Regierungsprojekt wie geplant am 1. August in Kraft treten kann, ist aber noch unsicher. Die EU-Kommission kritisiert, dass ausländische Stromanbieter beim deutschen Fördersystem benachteiligt werden könnten.

Die Opposition warf Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) vor, mehr die Interessen der Wirtschaft als die der Verbraucher im Blick zu haben. »Eine Strompreisbremse für die Verbraucher wird es nicht geben, aber eine Strompreisbremse für die Industrie«, meinte Linken-Fraktionsvize Caren Lay. Ein Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 3500 Kilowattstunden zahlt über die Stromrechnung derzeit netto 218 Euro EEG-Umlage im Jahr.

Die Grünen attackierten den SPD-Chef persönlich. »Sigmar Gabriel ist die Abrissbirne, die die erneuerbaren Energien in diesem Land kaputtmacht«, sagte Fraktionsvize Oliver Krischer.

Gabriel verteidigte sich. Es sei Verleumdung, von einem Ausbremsen der Erneuerbaren zu sprechen. Der Bau neuer Windräder an Land von 2500 Megawatt pro Jahr bleibe ambitioniert. Die Kosten für mehr Stromerzeugung aus Wind, Sonne, Wasser, Biogas und Geothermie müssten aber sinken: »Wir haben drastische Fälle von Überförderung.«

Den Einwand aus Brüssel, ausländischer Importstrom müsse von der Ökostromumlage befreit werden, kann Gabriel nicht verstehen: »Das ist ein Irrweg, den wir nicht mitgehen können.« Dennoch hält er eine Einigung mit den Wettbewerbshütern in den nächsten Wochen für möglich.

Davon hängen die Rabatte von fünf Milliarden Euro für die Industrie bei der Umlage ab. Bei Verzögerungen könnten Unternehmen nicht mehr rechtzeitig Rabattanträge für 2015 stellen. Ohne Vergünstigungen seien Hunderttausende Jobs in Gefahr, warnt die Wirtschaft.

Ein weiterer Konfliktpunkt mit Brüssel ist die Festlegung der Regierung, bestehende Strom-Selbstversorger weiter von der Umlage zu verschonen. Dies hat Brüssel nur bis Ende 2016 genehmigt. »Das ist keine wirklich gute Lösung, weil es Unsicherheiten schafft«, räumte Gabriel ein.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und er selbst würden bei der neuen EU-Kommission darauf dringen, dass es auch nach 2016 bei diesem Vertrauensschutz für Alt-Investoren bleibt. Für neue, größere Ökoenergie-Anlagen und neue Kraftwerke, in denen Strom für den eigenen Verbrauch produziert wird, werden künftig schrittweise bis zu 40 Prozent der EEG-Umlage von derzeit 6,24 Cent pro Kilowattstunde fällig.

Bürger, die kleine Solaranlagen bis 10 Kilowatt Leistung auf ihr Dach setzen, sollen durch eine Bagatellgrenze von der Belastung ausgenommen werden. Seit Jahren versorgt sich die Wirtschaft immer stärker mit Strom aus eigenen Kraftwerken und umgeht so Abgaben.

Gabriel betonte, zur Ehrlichkeit gehöre, dass es noch viele Baustellen bei der Energiewende gebe. Trotz Ökostrom-Rekord steigt in Deutschland seit zwei Jahren der Treibhausgas-Ausstoß. Moderne Gaskraftwerke sind wegen eingebrochener Börsenstrompreise Verlustbringer, der Netzausbau wird von Bürgern bekämpft, ein europaweit einheitlicher Strommarkt lässt auf sich warten.

Am 11. Juli wird der Bundesrat die Reform beraten - die Länder, die zuvor wesentliche Änderungen durchgesetzt hatten, wollen sie aber nicht blockieren. Deutschland hatte 2011 nach der Atom-Katastrophe im japanischen Fukushima entschieden, das letzte deutsche Atomkraftwerk 2022 abzuschalten und die Energiewende voranzutreiben. Derzeit hat Ökostrom einen Anteil von rund 25 Prozent an der Stromerzeugung - bis 2025 sollen es bis zu 45 Prozent und bis 2035 bis zu 60 Prozent sein. dpa/nd

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