Wer schmuddelig ist, bestimmt die CDU
Tabubruch mit Ansage: Wie sich die Ost-CDU auf die Rechtsausleger von der AfD zubewegt
Den Segen der Wissenschaft haben sie schon. Wer als Unionist nicht mit der »Alternative für Deutschland« (AfD) sprechen wolle, der sei »politisch pubertär«, sagte der konservative Politologe Heinrich Oberreuter, der an der Passauer Uni dem Journalismusinstitut vorsteht, kürzlich dem »Handelsblatt«. Der Hochschullehrer, der ein Grundlagen-Handbuch zu den »Parteien in der Bundesrepublik Deutschland« verfasst hat, sieht die AfD als »durchaus nicht schmuddelige Partei rechts von der Union«. Während die CDU es sich herausnimmt, die SPD weiterhin zu Ausschluss-Ansagen gegenüber der Linkspartei zu drängen, will man sich in die eigene Partnerwahl nicht hineinreden lassen - das Selbstbewusstsein einer Staatspartei. Offenbar tendieren weite Kreise der Konservativen dazu, die Partei rechts der Union als Koalitionsoption zu betrachten, anstatt sie zu bekämpfen.
Zwar hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu einer Kooperation mit der AfD auf Bundesebene Njet gesagt. Auf Landes- oder gar kommunaler Ebene gerade in den drei Ostländern mit anstehenden Landtagswahlen brechen die Dämme dagegen im Rekordtempo. Da können sich AfDler über Behinderte lustig machen, da kann ein Kreisverband ein von der NPD geklautes Poster verbreiten, da können Landes-Spitzenleute auf großen Parteitagen davon faseln, Zuwanderung sei ein Komplott, das »deutsche Volk« in einem »großen europäischen Brei« aufgehen zu lassen. Da kann, noch deutlicher, auf einer der jetzigen Europaabgeordneten Beatrix von Storch zuzurechnenden Internetseite ganz im Stil der Nazikameraden das religiös-kulturelle »Auslöschen« der »Völker« durch »Multikulti« fantasiert werden, da kann Parteichef Bernd Lucke eine auch nur »implizite Bejahung« des »Islam« als »falsch und töricht« angreifen. Da können Parteijugend- und Parteimitglieder Burschenschaften angehören, die selbst der sogenannte Verfassungsschutz für rechtsextrem hält: Was »schmuddelig« sei in Deutschland und was honorig konservativ, entscheidet alleine die CDU. Jene Rechthabepartei, die in Gestalt ihres Fraktionsvizes und Exbürgerrechtlers Arnold Vaatz auf den »antiwestlichen« Kurs der Linkspartei in der Ukraine-Krise eindrischt - und in den bei diesem Thema zuweilen gar nicht so unähnlich klingenden Positionen der AfD offenbar nicht immer ein Problem erkennen kann.
Der Dresdner Regierungschef Stanislaw Tillich zum Beispiel setzt weiterhin die NPD und die Linkspartei gleich, während er seinen eigenen Generalsekretär Michael Kretschmer, der auch die AfD unter die nicht-koalitionsfähigen Kräfte subsumiert hatte, sofort zurückpfiff. Nicht anders ist die Lage in Brandenburg, wo CDU-Spitzenkandidat Michael Schierack sich fast wortgleich zu den Koalitionsaussichten äußerte und die Landes-Generalin Anja Heinrich im Kreistag Elbe-Elster schon jetzt mit dem lokalen AfD-Vertreter in einer gemeinsamen Fraktion sitzt. In Köln-Porz hat sich gerade ein Unionsmann mit Stimmen der AfD und sogar der Rassistentruppe »Pro Köln« zum Bürgermeister wählen lassen. Auch bei der Seniorenunion ist man längst nicht mehr allerorts auf Merkel-Linie: »Einstimmig« hat sich etwa der schleswig-holsteinische Landesverband der Alt-CDUler für die Aufnahme eines »Dialogs« mit der AfD ausgesprochen: »Eine Partei wie die AfD, die zum Grundgesetz steht, nicht mit Pflastersteinen wirft und sich nur in Sachfragen von der CDU unterscheidet, der ist die Tür für Gespräche offen zu halten.«
Dicht halten will hinsichtlich der anstehenden Landtagswahl dagegen die Thüringer CDU. Der dortige Parteigeneral Mario Voigt gibt sich überaus deutlich als Gegner einer Kooperation mit der AfD: »In der Thüringer Union herrscht vollständiges Einvernehmen: Die AfD ist nicht regierungsfähig. Wir sind keine politischen Lotteriespieler, die das Land unkalkulierbaren Risiken aussetzen. Die CDU steht für stabile Verhältnisse«, heißt es in einer Pressemitteilung. Freilich erwarten Voigt und auch Regierungschefin Christine Lieberknecht von der SPD eine Gegenleistung: Diese sei »in der Pflicht den Wählern die Frage zu beantworten, ob sie 25 Jahre nach der friedlichen Revolution einen Linken zum Ministerpräsidenten wählen will«, so Voigt weiter. Und Fraktionschef Mike Mohring haut auf die Pauke: Schon aus »Staatsraison« müsse die SPD auf jede rot-rote Option in Erfurt verzichten, wenn die AfD in den Landtag einziehe.
Worin die Logik dieses Argumentes steckt, bleibt Mike Mohrings Geheimnis. Die SPD indessen täte angesichts dieser Ratgeberlage gut daran, sich in Zukunft selbst eine Meinung darüber zuzutrauen, wer für sie als Partner in Frage kommt und wer nicht.
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