Choriner Regenmusik

Mendelssohns »Elias«

  • Renate Parschau
  • Lesedauer: 3 Min.

Es ist nicht unbedingt das, was man sich für ein Konzert in der Klosterruine Chorin wünscht: Tau und Regen, nichts als Regen. Felix Mendelssohn Bartholdy aber hatte die israelitische Wüste zu alttestamentarischer Zeit im Sinn, als er 1845 für das Birmingham Music Festival dem Propheten Elias ein musikalisches Denkmal setzte. Der eine und einzige Gott, heißt es, helfe den Menschen, ihre existenziellen Probleme zu lösen. Elias macht die Probe aufs Exempel, lässt das Volk erst um Feuer, später um Regen bitten. Und siehe: Nicht der Götzendienst des Baal, sondern die Anrufung Gottes lässt die Opferflammen steigen und Regen den verdorrten Boden benetzen.

Zwischenzeitlich höhnt Elias kräftig, zudem hat er bereits die Heilung des Sohnes der Witwe von Zarpath erbeten - und erreicht. Vielleicht war er es ja auch, der jenen Notarztwagen rief, der just in dem Moment lautstark die nahe gelegene Landstraße entlanghetzte, da die Witwe jubelnd sang: »Die Seele des Kindes kommt wieder! Es wird lebendig!«

Das ist es, was die Aufführungen in der Ruine des Zisterzienserklosters so lebendig macht: die Nähe zum Alltag mit krakeelenden Säuglingen und gurrenden Tauben, auch wenn diesmal das Rasenpicknick wegen des Nieselregens weniger opulent ausfiel. Im Text des »Elias« jedoch war genau das ausdrücklich erbeten - mit kraftvollen Chören und wunderbaren Solisten. Mendelssohn Bartholdy hat ein dramaturgisch abwechslungsreiches Werk geschaffen, das Chor, Solisten und dem Orchester ausreichend Platz für kraftvolles wie sensibles Agieren gibt.

Als Gesangssolistin war Johanni van Oostrum, Sopran, kurzfristig eingesprungen und gab ihren Partien Glanz und Klangschönheit - wenngleich in den Höhen die Vokale etwas verzerrt wirkten. Karolina Gumos’ homogener und nuancenreicher Mezzo erfreute durchweg, der schlanke Tenor von Gideon Poppe wurde den Partien des Ahab und Obadjah mit erfreulicher Textgenauigkeit gerecht ebenso wie der Bassbariton Reinhard Hagen der umfänglichen Partie des Elias.

Die Berliner Singakademie und die Brandenburger Sinfoniker musizierten unter der Leitung von Achim Zimmermann mit viel Musikalität und Sensibilität. Nicht, dass man sich über weite Strecken nicht noch kraftvolleres, noch energischeres Spiel gewünscht hätte - etwa an den dramatisch exponierten Stellen der Partitur, die den Chor über alle Maßen jubeln lässt, etwa: »Die Wasserwogen sind groß und brausen gewaltig«. Vielleicht aber auch ein noch drohenderes Grummeln in den Chören, da dem Propheten gezürnt wird: »Warum darf er weissagen im Namen des Herrn? Dieser ist des Todes schuldig! Wehe ihm …« Ganz bestimmt hätte man sich ein subtileres, empfindsameres Cello-Solo gewünscht, mit dem die Arie des desillusionierten, enttäuschten Elias »Es ist genug!« im zweiten Teil eingeleitet wird.

Mendelssohn hat eine kontrastreiche, kraftvolle, auch laute Musik geschrieben, die aus dem verinnerlichten Gottesglauben des Konvertierten, aber auch aus den operndramatischen Erfahrungen des 19. Jahrhunderts gespeist wird. Einiges, ja vieles davon, nur eben nicht alles, war in dieser Aufführung am vergangenen Sonntag in Chorin zu hören, die viel verdienten Beifall bekam.

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