»Wort halten!«
Dokumentation der Erklärung zur Solidarität mit den Geflüchteten auf dem Dach der von Flüchtlingen besetzten Schule in Berlin
Seit Tagen sperrt die Berliner Polizei die Straßen um die ehemalige Gerhart-Hauptmann-Schule in Kreuzberg ab. Sie belagern ein paar Dutzend Refugees, die sich auf das Dach des Gebäudes zurückgezogen haben. Über viele Monate war die Schule ein Rückzugsraum für Refugees, die sich für Verbesserungen in der Flüchtlingspolitik einsetzen. Die Polizeiliche Präsenz suggeriert eine Gefahrenlage, die AnwohnerInnen und BürgerInnen verunsichert. MedienvertreterInnen wird der Zugang zur Schule verwehrt, die im Ramadan fastenden Refugees werden nachts durch die Polizei am Schlafen gehindert. Diese unerträgliche Zuspitzung zeigt einmal mehr, dass die Forderung nach einem menschenwürdigen Umgang, die die Refugee Bewegung der letzten zwei Jahre für sich und andere eingefordert haben, politisch nicht beantwortet werden.
Denn: Der Senat Berlin hat die Geflüchteten in eine ausweglose Situation gebracht. Nachdem er im März mit protestierenden Refugees erste Abmachungen getroffen hatte, sind diese Versprechungen heute, fast vier Monate später, nicht erfüllt. Nun haben mehrere Geflüchtete angekündigt, sich vom Dach der Schule zu stürzen, wenn es an Stelle einer politischen Lösung zu einer Räumung der Schule durch die Polizei kommt. Ihr Hinweis, dass der Senat seine Versprechungen nicht einhält, findet zu wenig Beachtung.
Es ist die Aufgabe der verantwortlichen PolitikerInnen, den Innenministern aus Bund und Ländern, eine politische Lösung für die grundrechtswidrige Situation zu finden. Paragraph 23 des Aufenthaltsgesetzes sieht diese Lösung vor:
»Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass Ausländern aus bestimmten Staaten oder in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird.«
Die Refugee Bewegung der vergangenen beiden Jahre hat Deutschland mit praktischen Fragen von Menschenrechtspolitik konfrontiert. Der erste Paragraph des Grundgesetzes lautet: »Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlicher Gewalt.« Die Refugees erinnern an diesen Auftrag des Grundgesetzes, helfen also bei der Wahrung der politischen Interessen der Bundesrepublik. Sie erinnern daran, dass Menschenrechte immer wieder neu erkämpft und verteidigt werden müssen.
Wir fordern von Innensenator Henkel und Bundesinnenminister de Maiziére die Gewährung eines dauerhaften Bleiberechts nach § 23, Abs. 1 Aufenthaltsgesetz für die Refugees. Wir fordern außerdem den sofortigen Abzug der Polizei, den uneingeschränkten Zugang der Presse in die Schule, ein Ende der Kriminalisierung der Proteste und einen politischen und respektvollen Umgang mit den Protestierenden.
ErstunterzeichnerInnen:
Elisabeth Abendroth (Sozialwissenschaftlerin)
Sharon Adler (Aviva Berlin)
Konstanze Ameer (Stiftung Zurückgeben)
Canan Bayram (MdA Berlin, Bündnis 90/ Grüne, Sprecherin für Integration, Migration und
Flüchtlinge)
Aziz Bozkurt (Landesvorstand SPD Berlin und Landesvorsitzender AG Migration und Vielfalt
SPD Berlin)
Dr. rer. med. habil. Christa Brähler (Psychoanalytikerin)
Prof. Dr. María do Mar Castro Varela (Alice Salomon Hochschule Berlin)
Safter Çinar (Bundesvorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland (TGD))
Hans Copi (Vorsitzender Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der
Antifaschistinnen und Antifaschisten Berlin)
Max Czollek, Autor
Martin Delius (Fraktionsvorsitzender Piratenpartei im Berliner Abgeordnetenhaus)
Ayse Demir (Vorstandssprecherin Türkischer Bund in Berlin-Brandenburg (TBB) und
stv. Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland (TGD))
Prof. Dr. Nikita Dhawan (Goethe Universität Frankfurt am Main)
Sarah Diehl, Autorin
Sharon Dodua Otoo (Mutter, Aktivistin, Autorin & Herausgeberin)
Johannes CS Frank, Autor und Verleger
Thomas Gebauer (Geschäftsführer Medico International)
Dr. Gregor Gysi (Fraktionsvorsitzender DIE LINKE im Bundestag)
Rejane Herwig (stv. Landesvorsitzende der Jusos Berlin)
Axel Holz (Bundesvorsitzender Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der
Antifaschistinnen und Antifaschisten)
Daniel Kahn, Musiker
Prof. Dr. med. Dr. phil. Karl-Frank Kaltenborn (Universität Marburg)
Sebastian Langer (stv. Landesvorsitzender der Jusos Berlin)
Lea Lölhöffel (stv. Landesvorsitzende der Jusos Berlin)
Anetta Kahane (Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung)
Andreas Katz (Landesvorsitzender Bündnis 90/ Grüne, Mecklenburg-Vorpommern)
Cornelia Kerth (Bundesvorsitzende Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der
Antifaschistinnen und Antifaschisten)
Katja Kipping (MdB, Vorsitzende DIE LINKE)
Katharina König (MdL Thüringen, DIE LINKE)
Lothar König (Stadtjugendpfarrer Jena)
Gottfried Kößler (Stellvertretender Direktor des Fritz Bauer Instituts)
Dr. Klaus Lederer (Landesvorsitzender DIE LINKE Berlin)
Benedikt Lux (MdA Berlin, Bündnis ‘90 / Die Grünen, Innenpolitischer Sprecher)
Die Herausgeberinnen des Missy Magazines
Prof. Dr. Morus Markard (Freie Universität Berlin)
Anna Müller (stv. Landesvorsitzende der Jusos Berlin)
Prof. Dr. Patrizia Nanz (Kulturwissenschafliches Institut Essen, Universität Bremen)
Wolf-Dieter Narr (emeritierter Hochschullehrer, Berlin)
Martina Priessner (Regisseurin)
Jürgen Roth (Journalist und Autor)
Michael Ruf (Bühne für Menschenrechte)
Marianna Salzmann (Künstlerische Leitung Studio ?, Berlin)
Prof. Dr. Klaus Schönberger (Zürcher Hochschule der Künste)
Horst Selbiger (Ehrenvorsitzender Child Survivors Deutschland e.V., Überlebende Kinder der
Shoah)
Alexander Spies (Fraktionsvorsitzender Piratenpartei im Abgeordnetenhaus Berlin)
Hakan Tas (MdA Berlin, DIE LINKE, Innen-, partizipations-, und flüchtlingspolitischer
Sprecher)
Dr. Andreas Tietze (Präses der Nordkirche)
Springstoff (Musiklabel)
TickTickBoom (Musiker*innen Kollektiv)
Deniz Utlu (Autor)
Kathrin Vogler (MdB, DIE LINKE)
Halina Wawzyniak (MdB, DIE LINKE)
Roger Willemsen (Publizist)
Janine Wissler (MdL Hessen, DIE LINKE)
Koray Yilmaz-Günay (Migrationsrat Berlin-Brandenburg e.V.)
Andrea Ypsilanti (MdL Hessen, SPD)
Dr. habil. Nils Zurawski (Universität Hamburg)
AG Vielfalt und Migration in der SPD Berlin
Amadeu Antonio Stiftung
Initiative Schwarze Menschen in Deutschland Bund e.V.
Jungsozialist*innen Berlin in der SPD (Jusos)
Komitee für Grundrechte und Demokratie
LAFT Berlin - Landesverband der Freien Theaterschaffenden
Piratenfraktion im Abgeordnetenhaus Berlin
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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