Zum Schluss das Stück »Mr. Gum und der fettige Ingo«

Sascha Bunge verlässt nach 30 Inszenierungen das Theater an der Parkaue

  • Lucía Tirado
  • Lesedauer: 4 Min.

Alle Welt kennt den Mann mit kahlem Kopf. Damit fühlt er sich gut. Es sei praktisch, sagt er. Doch plötzlich stehen sie da - Bunge und Igel. Letzterer gewann gerade den Wettlauf. Der Theaterregisseur Sascha Bunge, Jahrgang 1969, vergaß bei der Reise nach Würzburg das Rasiergerät. Gerade zurück schwärmt er von der Bahnfahrt, bei der er ungestört arbeiten konnte. Wer mit seinen Gedanken immer auf der Bühne ist, dem fällt schon mal anderes von der Rampe.

Im Mainfranken Theater Würzburg inszeniert er, wie andere zu Boden gehen: »K.O. nach zwölf Runden« von Lothar Trolle. Es gehe um den Moment, in dem ein Boxer fällt und der Schmerz kommt, sagt Bunge. »Der Mann will wieder hoch, aber das Auszählen des Ringrichters lähmt ihm die Beine«.

Ein psychologisch teuflischer Moment. Der Alltag ist gnädiger. Man zählt sich möglichst selbst wieder hoch. Bunge sagt, er beherrsche das. Mit Erschöpfung umzugehen, ist ihm vertraut. Er kennt es ebenso von Schauspielern, mit denen er zusammenarbeitet. Aus der Müdigkeit erwachse Gelassenheit. Dann kann es weitergehen.

Seit 2005 ist Bunge Oberspielleiter im Theater an der Parkaue, dem Jungen Staatstheater Berlin. 30 Stücke inszenierte er an der Lichtenberger Bühne, darunter elf Uraufführungen. Nun geht er zum Spielzeitende, fand die Zeit reif, wieder als freier Regisseur zu arbeiten. Dass die Trennung schmerzt, bestreitet er nicht. »Die Arbeit war spannend und intensiv.« Er erinnert sich an nur wenige probenfreie Wochen in diesen Jahren. Das Theater schenkt ihm die letzte Vorstellung der Spielzeit mit seinem Stück »Mr. Gum und der fettige Ingo«.

Als er dort begann, hatte er Theaterwissenschaften, Kulturelle Kommunikation und Germanistik an der Humboldt-Universität in Berlin studiert. Regieerfahrungen aus Berlin, Aachen, Leipzig und Magdeburg brachte er mit. »Ich verlasse nun ein Haus mit toller, ausprobierwilliger Belegschaft. Hier fand ich Menschen, die Lust haben, gemeinsam etwas zu stemmen. Ich brauche das. Ich bin nicht gut im Dirigieren von Objekten.« Die Zusammenarbeit mit den Schauspielern meint er hier, ihre Fähigkeit, den Text zu durchdringen und umzusetzen.

Ja, auch um die Ausgewogenheit des Spielplans sei ständig gerungen worden, erzählt er, während sich Lachen auf seinem freundlichen runden Gesicht ausbreitet. Intendant Kay Wuschek hatte sich dabei gegen ihn, seinen Stellvertreter, oft durchgesetzt. Das akzeptiert er. Mit Respekt spricht er von Wuschek und dessen Argumentation, dass Theater eben nicht nur ästhetische Spielwiese sein könne. Bunges Art von anderen zu erzählen, ist sympathisch.

Für Sascha Bunge sind Zuschauer Partner, mit denen die Schauspieler und das Inszenierungsteam ein Stück feiern wollen. Er, der es schafft, 500 Kinder und Jugendliche im Saal für das Spiel auf der Bühne zu interessieren, meint, es sei nicht in Ordnung, agierende Kinder dabei als störend zu empfinden. »Wenn Kinder sich langweilen, dann langweilen sie sich. Jede Art von Vitalität ist angenehm und wichtig.« Er setze sich mit den Schauspielern immer gern nach einigen Vorstellungen zusammen, um darüber zu reden, wie etwas ankommt.

Theater als gesellschaftlicher Raum spielt heute leider nicht mehr so die Rolle, meint Bunge. Er schätzt es aber, dass dort soziale Unterschiede verschwinden. Auch die Schauspieler würden das genießen. Das Publikum - und das bezieht sich wohl nicht nur auf Kinder - sei heute satter. Und schneller beleidigt. Er sieht es als Gefahr, dass viele Theater es deshalb in Ruhe lassen. Andererseits mache es sich der Zuschauer schwer, wenn er alles, was von Information ablenke, während des Stücks wegschiebe. Es sei legitim, auch im Theater mal an was anderes zu denken.

Sascha Bunge kommt aus einer Theaterfamilie. Das trägt er in sich und seine Kindheit in Berlin-Mitte zwischen Tucholskystraße und Koppenplatz. Berlin ist seine Stadt. Nun wohnt er in Prenzlauer Berg. Die Würzburger konnten ihn dafür gewinnen, nach den »K.O.« noch Hauptmanns »Ratten« zu inszenieren. Danach will er ausspannen. In Mecklenburg. Mit oder ohne Igel. Die Gedanken schweifen lassen, ohne sich groß einzumischen.

16.7., 11 Uhr: »Mr. Gum und der fettige Ingo«, Theater an der Parkaue, Parkaue 29, Lichtenberg, Tel.: (030) 55 77 52-0, www.parkaue.de

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