... und Blatter weiß von nichts

Ein FIFA-Vertreter gerät im Skandal um Schwarzmarkttickets unter Verdacht

  • Heiner Gerhardts, Rio des Janeiro
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Polizei gräbt immer tiefer, die FIFA verharrt: Im millionenschweren Skandal illegal verkaufter WM-Tickets kommt auf den Weltverband Ungemach zu.

Joseph Blatter lächelte, streckte als Beweis seiner Unschuld die Arme in die Höhe und sagte: »Ich weiß von nichts!« Beim millionenschweren Skandal um illegal verkaufte WM-Tickets ist auch der Weltverband ins Zwielicht geraten. Doch der FIFA-Präsident wäscht wie immer seine Hände in Unschuld, während die Ermittler den mysteriösen Drahtzieher in den Reihen des Weltverbandes jagt.

Eintrittkarten seien nicht sein Ding, er müsse sich um politische Dinge kümmern, erklärte der 78-jährige Blatter kurz angebunden der Tageszeitung »Estadão«, die ihn in Rio de Janeiro abgegriffen hatte. Dann beschrieb sie ausführlich die »Ich weiß von nichts«-Geste des FIFA-Präsidenten.

Blatter mauert, und mit ihm seine Untertanen. »Wir haben nichts zu kommentieren. Es gibt doch nur Gerüchte«, sagte FIFA-Sprecherin Delia Fischer auch dann noch, als schon die Meldung von einem »faulen Obst« im eigenen Stab die Runde gemacht hatte.

Auskunftsfreudiger und viel näher dran ist da schon die ermittelnde Sonderkommission, weil José Massih, ein bei der »Operation Jules Rimet« Verhafteter, als Kronzeuge den Mund aufgemacht hat. »Er hat den ersten Vornamen genannt, aber noch halten wir den geheim«, sagte Polizeichef Fábio Barucke, der den Übeltäter aus den Reihen der FIFA nun zweifelsfrei identifizieren will.

Massih war mit dem Bandenführer Mohamadou Lamine Fofana, der mit Geschäften und Freundschaftsdiensten Kontakte zur elitären Fußballgesellschaft pflegte, sowie neun weiteren Verdächtigten am vergangenen Dienstag bei Razzien in Rio de Janeiro und São Paulo festgenommen worden. Und was Barucke sonst noch zu berichten weiß, lässt auf einen Skandal gewaltigen Ausmaßes schließen.

Die Ticketmafia treibt ihr Unwesen bereits seit der WM 2002. In Brasilien sollen nun Eintrittskarten für alle 64 Turnierspiele angeboten worden sein, ein begehrtes Finalticket gar für umgerechnet 11 500 Euro. Die Verkaufspreise lagen zwischen 200 und 1000 Prozent über dem regulären Preis.

Die »Operation Jules Rimet« war vor drei Monaten gestartet worden. Seitdem wurden rund 50 000 Telefongespräche abgehört, über die Hälfte davon schon ausgewertet. »Die Untersuchung lief bislang geheim. Aber jetzt beziehen wir die FIFA mit ein. Auch, damit sie die Form der Ticketverteilung überdenkt«, sagte Barucke.

Die sichergestellten Karten sind mittlerweile auf dem Tisch von Thierry Weil gelandet. »Wir werden die beschlagnahmten Tickets auf ihre Echtheit überprüfen und die Behörden bei der Identifizierung der Quellen der Karten unterstützen«, erklärte der für die Eintrittskarten zuständige FIFA-Marketing-Direktor. Eine Erklärung, warum Bandenchef Fofana einen offiziellen FIFA-Parkausweis in seinem Wagen hatte, konnte aber auch Weil nicht geben. Fofana sei nicht für die WM akkreditiert und habe auch keinen Zugriff auf den Wagenpool der FIFA, meinte Weil.

Also muss auch hier jemand nachgeholfen haben. Wie bei der Abzweigung der Tickets aus den Freikontingenten des Weltverbandes für VIPs, Sponsoren und WM-Mannschaften. Laut »Estadão« hat Fofana am Swimmingpool des mondänen Copacabana Palace, dem Stammquartier der FIFA in Rio, die Übergabe der Tickets ausgehandelt und die noch original verpackten Pakete in einem abgeschirmten Hotelsaal entgegengenommen.

Um mehr Licht ins Dunkel zu bringen, müssen sich selbst brasilianische Fußballgrößen unangenehme Fragen stellen lassen. Stars wie die Ex-Weltmeister Dunga, Jairzinho und Carlos Alberto Torres, die am 17. Juni Gäste auf einer Privatparty Fofanas waren, oder der frühere Bremer Bundesligaprofi Júnior Baiano, der dem Franko-Algerier ein Apartment vermietet hat, sollen in den nächsten Tagen als Zeugen geladen werden.

Auf die Polizei kommt noch viel Arbeit zu. »Wir arbeiten Tag und Nacht, um die Operation bis zum Finale richtig in Gang zu bringen. Wir werden bis dahin alle Aufzeichnungen von Telefonaten abhören«, kündigte Barucke an. Weitere Festnahmen, so betonte er, seien nicht ausgeschlossen. SID/nd

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