BVG lässt U-Bahn-Züge in Leipzig aufhübschen
Die Reparatur von 38 Doppeltriebwagen wird wegen Überlastung im eigenen Werk nach Sachsen ausgelagert
U-Bahn-Wagen 3602 ist schon ganz schön herumgekommen. Fast 3,2 Millionen Kilometer hat das Fahrzeug im Berliner Netz zurückgelegt. Nun sind noch ein paar Hundert Straßenkilometer huckepack auf einem Laster hinzugekommen. Nach 38 Betriebsjahren schickte ihn die BVG nämlich nach Leipzig zur Modernisierung, damit er noch weitere 20 Jahre seinen Dienst auf Berliner U-Bahn-Gleisen verrichten kann. Genau das Gleiche soll mit den weiteren 38 Doppeltriebwagen der Serie F76, Baujahr 1976, geschehen. Ende 2016 will man damit fertig sein.
»So eine Modernisierung kostet nur rund 30 Prozent eines neuen Fahrzeugs«, sagt U-Bahn-Chef Hans-Christian Kaiser. Ein gewichtiges Argument für die mit 800 Millionen Euro verschuldete BVG. Um die 1,2 Millionen Euro koste ein Neufahrzeug. »Bei der Mechanik sind rund 90 Prozent, bei der Elektrik etwa 70 Prozent der Teile wiederverwendbar«, erklärt Achim Hesselink vom Leipziger Instandhaltungsunternehmen IFTEC, das zusammen mit dem Komponentenhersteller Vossloh Kiepe den Auftrag zur Runderneuerung der Flotte erhalten hat.
Die ist ein durchaus komplexes Unterfangen. »Mit jedem Wagen aus Berlin kommen rund 1300 Ersatzteile mit«, sagt Hesselink. Ursprünglich wollte die BVG die Baureihe in eigener Regie modernisieren, wie sie es schon beim Typen F74 gemacht hatte. Doch es kamen Probleme mit den beiden jüngsten Baureihen H und HK dazwischen. Innerhalb kurzer Zeit mussten an Hunderten Einzelwagen Bauteile ausgetauscht werden, die nicht so zuverlässig waren, wie die Hersteller versprochen hatten. »Wir hatten einfach keine Kapazitäten mehr«, begründet Kaiser die Fremdvergabe.
Das Duo IFTEC und Vossloh Kiepe hat schon einige Erfahrung mit der Modernisierung von Straßenbahnen gesammelt. Der erste Großauftrag kam aus München. 50 Straßenbahnen der ersten Niederflurgeneration wurden runderneuert. Augsburg, Köln und Bonn sind auch Kunden, momentan steht zwischen den Berliner U-Bahn-Wagen auch eine Duisburger Straßenbahn in der Werkshalle. Auch in anderen Städten sitzt das Geld nicht mehr so locker. »Je jünger die Fahrzeuge werden, desto mehr haben die Hersteller optimiert«, sagt U-Bahn-Chef Kaiser. Qualität und Haltbarkeit von Schienenfahrzeugen nahmen über die Jahrzehnte immer weiter ab. Da liegt es also nahe, bewährte Baureihen so lange wie möglich in Betrieb zu halten.
Ein sich immer weiter verschärfendes Problem für die Verkehrsbetriebe ist die sogenannte Obsoleszenz. Ersatzteile für elektronische Komponenten sind bereits nach wenigen Jahren nicht mehr verfügbar. Kaiser möchte dem mit einer neuen Beschaffungsstrategie entgegenwirken: »Statt innerhalb weniger Jahre Großserien zu beschaffen, sollten wir kontinuierlich eine Baureihe mit kleinen jährlichen Stückzahlen über ein Jahrzehnt ordern.« Dies zwinge die Industrie, Teile länger vorzuhalten. Bald werde sich der Vorstand mit der Beschaffung neuer Wagen beschäftigen.
Große Veränderungen in den modernisierten Fahrzeugen dürfen die Fahrgäste nicht erwarten. Eine Sitzbank wurde zugunsten eines Mehrzweckabteils entfernt, mit nun gelben Haltestangen und weißem Innenlack wirkt das Interieur heller, die häufig durchgesessenen Sitzpolster wurden durch etwas härteres Material ersetzt. Es wird nach wie vor nur Stationsansagen geben, die von Fahrgastverbänden geforderte optische Information kommt nicht. Auch die berüchtigte Fensterklebefolie mit Brandenburger Toren bleibt erhalten. »Niemand mag diese Folie, sie wegzulassen, würde aber jährlich eine Million Euro höhere Kosten wegen der Vandalismusschäden bedeuten«, sagt Kaiser.
Inzwischen arbeitet die BVG am Prototypen für die Modernisierung der Nachfolgebaureihe F79. Im zweiten Halbjahr 2015 soll mit der Serienerneuerung begonnen werden. Diesmal wieder im eigenen Haus.
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