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Müll fischen für Olympia

Ayrton Abreu steuert ein »Eco-Boat«, er sammelt Müll aus dem Segelrevier der Spiele 2016

Die Fußball-WM ist vorbei, 2016 steht schon das nächste Megaspektakel an: Olympische Sommerspiele in Rio. Ein Besuch im verdreckten Segelrevier Guanabara.

Wer für große Ziele arbeitet, kann nicht früh genug anfangen. Ayrton Alemar Abreu ist 19, ausgebildeter Seemann und seit einem halben Jahr sogar Kapitän: auf dem Ecoboat VII. Wenn er sich am frühen Morgen aus São Gonçalo auf den Weg nach Rio de Janeiro begibt, weiß er, dass er auch heute wieder Gutes tut, wenn er sich mit dem stählernen Katamaran auf Wasser begibt, um den schwimmenden Müll aus der Bucht zu fischen. »Irgendwo müssen wir ja damit anfangen«, sagt Abreu als er mit seinem Ecoboat von der Marina da Glória ablegt. »Sonst wird das hier niemals sauber«.

Wie das sechs mal drei Meter große Boot so in die Bucht tuckert, sieht es klein aus, winzig. Die Guanabara-Bucht, die sich östlich von Rio de Janeiro tief ins Land hinein zieht, umfasst 380 km2. Sie ist eine ziemliche Kloake. 35 kleine Flüsse münden in die Bucht, die Abwässer von acht Millionen Menschen fließen hier hinein, und auch all das, was der staatliche Ölkonzern Petrobras bei seiner Ölförderung ins Wasser leitet. 350 Tonnen Müll treiben pro Monat in die Bucht. Das Wasser rings um Rio ist verdreckt. Selbst an den Traumstränden Copacabana oder Ipanema ist das Baden nicht immer ratsam, vor allem nicht nach Regenfällen, weil dann Schmutz und Abfall in Massen an die Küsten gespült werden.

Am Ausgang der Guanabara-Bucht liegt malerisch der Pão de Açucar, der Zuckerhut, vor dem Ayrton Abreu und seine zwei Kollegen von Montag bis Freitag kreuzen und Müll einsammeln. Vorn an ihrem viereckigen »Ökoboot« ist ein stählerner Fangkorb angebracht. Mit dem wird der schwimmende Unrat eingesammelt.

»Heute ist nicht so ein schlimmer Tag«, sagt Ayrton mit einem Blick auf die Abfallmenge, die seine Mannschaft in einer halben Stunde eingesammelt hat. Viele Flaschen, Plastiktüten, Becher, eine lange Holzlatte, Verpackungen - was sie heute in einer halben Stunde aus dem Wasser gefischt hat, wirkt kläglich. Immerhin ist passend zur WM ein Ball dabei. »Wir ziehen hier manchmal auch Kühlschränke oder Fernseher aus dem Wasser. Das größte war mal ein Doppelbett.« Die Müllmenge hänge stark von den Gezeiten ab.

Seit 2007 geht die Regierung des Bundesstaates Rio de Janeiro die Verschmutzung der Bucht gezielt an, mit dem Plan »Saubere Guanabara!« Mit elf riesigen Fangnetzen (»eco barriers«) soll schwimmender Müll aus dem Wasser geholt werden, bereits drei Ecoboats, wie das von Ayrton, sind im Einsatz, bis nächstes Jahr sollen noch sieben dazukommen. Auch acht weitere Fangnetze sind geplant. Rios Regierung rühmt sich, bereits 40 Prozent des schwimmenden Mülls aus der Bucht einzusammeln. Bis 2016 sollen es 60 Prozent sein. »Wir haben schon 2007 mit dem Programm angefangen, lange vor Olympia«, sagt Steven Patrick McCane. Er arbeitet für das Umweltministerium von Rio. »Mit dann insgesamt zehn Müllbooten werden wir das Problem in den Griff bekommen haben.«

Umweltschützer wie Mario Moscatelli hingegen klagen, es passiere viel zu wenig mit der Bucht. Der Biologe Moscatelli kümmert sich seit 1997 um die Aufforstung der Mangrovenwälder in der Bucht: »Ich fliege einmal im Monat über die Bucht, und weiß, was das für eine dreckige Brühe ist. Sollten Sie jemals dort ins Wasser gehen wollen, empfehle ich eine vorherige Impfung gegen Hepatitis A.« Den Einsatz der Müllboote findet er lächerlich: »Und die Fangnetze lassen viel zu viel Müll durch.«

Auch die Segler, die zuletzt dort Regatten fuhren, sind von den Abfallmassen in der Baía de Guanabara entsetzt: Ian Barker, Olympiasilbermedaillengewinner aus Großbritannien, heute Trainer der irischen Segler, klagt: »Ich bin schon in 35 Ländern gesegelt, so einen Dreck habe ich noch nie gesehen.« Der Däne Allan Norregaard sagt, er würde dort definitiv nie schwimmen gehen. Er habe Leute gesehen, die mit Ausschlag aus dem Wasser gestiegen seien. »Ich weiß nicht, was im Wasser drin ist, aber es ist definitiv nicht gesund.«

Die Frage, ob er in der Bucht baden geht, kann Ecoboat-Kapitän Ayrton Abreu klar beantworten: »Nein, wieso sollte ich? Wir haben hier doch ganz andere Möglichkeiten zum Baden.« Aber dass die Segler so ein Aufheben machen, versteht er auch nicht recht: »Dort, wo 2016 gesegelt wird, ist es doch gar nicht so schlimm.« Schließlich habe die Regierung dort das Wasser untersucht, es habe sogar Badequalität. Ob man dort segeln könne? Er nickt: »Ich glaube schon.« Aber man solle da doch besser seinen Chef fragen.

Auch sein Chef Lourenço Ravazzano versteht die ganze Aufregung nicht. »In der Mitte der Bucht sind die Bedingungen zum Segeln bestens«, sagt Ravazzano. Dem 58-Jährigen gehören die Müllboote, der Bundesstaat pachtet sie von ihm. Er war einst selbst Segler, bei den Weltmeisterschaften 1986 und 1992 gewann er zweimal Bronze in der Klasse J/24. »Klar, Müll im Wasser ist ein Problem beim Segeln, ich weiß, wovon ich spreche: Aber mit den Ecoboats haben wir das hier in Rio bis 2016 locker im Griff.« Ob er selbst dort segle? »Nein. Aber das bedeutet nichts, ich segle gar nicht mehr.« Die Boote seien supereffektiv, und übrigens: Mauricio Piquet habe diese Boote entworfen, der Neffe des Formel1-Fahrers Nelson Piquet.

Kapitän Ayrton steuert das Boot zurück in die Marina da Glória. 2016 setzen hier die Olympiasegler die Segel, jetzt liegen Luxusjachten am Kai.. »Die Jacht da drüben, Lady Laura, gehört Roberto Carlos«, sagt er und zeigt auf ein Boot. Roberto Carlos, dem Fußballer? »Nein, nein«, lacht er, »dem Sänger, der hat Millionen Platten verkauft, der ist viel berühmter.«

Als das Ecoboat am Pier vertäut ist, erzählt er, wie sehr er seinen Job liebt. »Ich mache, was ich gern tue und bin immer draußen auf dem Meer.« Und das Geld stimme auch. Mit Zuschlägen käme er auf fast 1500 Reais (500 Euro). Das sei viel Geld für jemanden, der aus einer Comunidade komme, also aus einer Favela.

Ob er nicht froh sei, auch noch so einen sinnvollen Job machen zu können? Ayrton überlegt: »Ich hoffe, dass es Sinn macht. Aber wenn sie mich fragen, ich würde das Geld besser in unsere Schulen stecken als in dieses Projekt hier.«

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