Meeressäugerdaten und Aufstandsbekämpfung

Die Universität Kiel mischt bei der Militärforschung ganz vorn mit

  • Olaf Harning
  • Lesedauer: 3 Min.
Seit 2010 wurden an der Uni Kiel 13 von der Bundeswehr finanzierte »Drittmittelprojekte« abgearbeitet. Der AStA fordert jetzt eine Zivilklausel, Uni-Präsident Kipp sieht damit die Freiheit der Lehre bedroht.

Es war ein ambitioniertes Projekt, das da zwischen April 2011 und März 2013 am Institut für Sicherheitspolitik der Universität Kiel (ISPK) durchgeführt wurde. »Counterinsurgency« (Aufstandsbekämpfung) war das Thema, gemeinsam mit dem Projektpartner Center for a New American Security (CNAS) entwickelten die Kieler Sicherheitsforscher eine Reihe von »Politikempfehlungen« für den künftigen Umgang mit Aufständen in »fragilen Staaten«.

Finanziert werden solche und ähnliche Studien aus Mitteln des Verteidigungsministeriums - und das beauftragt Recherchen von »NDR Info« und der »Süddeutschen Zeitung« zufolge immer häufiger Hochschulen und öffentliche Forschungseinrichtungen. Auf der Empfängerliste ganz oben mit dabei: die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Bis zu drei Millionen Euro sollen seit 2010 für Projekte der Rüstungs- und Militärforschung in Richtung der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt geflossen sein - zum Beispiel für eine Arbeit der Technischen Fakultät, die zusammen mit der Raytheon-Anschütz GmbH ein System entwickelt, »um Piraten und Terroristen auf See frühzeitig zu erkennen und abzuwehren.«

Die Hochschule selbst dementiert heftig: »Die Universität Kiel betreibt keine Rüstungsforschung«, so ihr gerade erst ins Amt gewählter Präsident Prof. Dr. Lutz Kipp, sondern überwiegend »Grundlagenforschung«, wie die »Auswertung von Meeressäugerdaten« oder die »Korrelation von Körperschall«. Na, und dann sei da noch »nach einem Szenario für die sicherheitspolitische Stabilisierung Afghanistans gesucht« worden.

Am 15. April 2013 stellten ISPK-Mitarbeiter Robin Schröder und sein Institutsdirektor Prof. Dr. Joachim Krause dieses Szenario auf einer Veranstaltung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) vor. Das universitäre Plädoyer: Stabilisierung fragiler staatlicher Strukturen, »indirekte Aufstandsbewältigung durch Ausbildung und Aktivierung der lokalen Sicherheitskräfte«, aber im Notfall eben auch militärische Aktionen, wie das »Ausschalten von bedeutenden Führern«. »Das alltägliche Risiko für die Aufständischen«, so Schröder, müsse »durch militärische und polizeiliche Maßnahmen (…) so erhöht werden, dass es für potenzielle Rekruten definitiv keinen Sicherheitsgewinn bringt, sich dem Aufstand anzuschließen«.

Auch wenn die Hochschulen nach wie vor nur einen Bruchteil der seit 2010 bundesweit fast 400 Millionen Euro schweren Rüstungsforschung leisten, regt sich in der Studentenschaft vieler Universitäten Unmut. Auch in Kiel stellt sich AStA-Sprecher Ruben Reid die Frage, wie sich die Zusammenarbeit mit Verteidigungsministerium, Bundeswehr und Rüstungsfirmen mit dem Leitspruch seiner Universität in Einklang bringen lässt: »Pax optima rerum« - »Frieden ist das beste der Güter«. Um die Rüstungsforschung an der einzigen Volluniversität Schleswig-Holsteins zumindest einzugrenzen, hat der AStA 2013 die Einführung einer sogenannten »Zivilklausel« ins Spiel gebracht, die mit klaren ethischen Maßstäben ausgestattet werden und die Grundlage bieten soll, fragwürdige Drittmittel auszuschlagen. »Eine Zivilklausel«, so der AStA, »ist eine Selbstverpflichtung der Universität, Studium, Forschung und Lehre frei von militärischen Einflüssen zu halten.«

Während Lutz Kipp die Einführung einer solchen Klausel ablehnt, weil sie »die Freiheit von Lehre und Forschung« einschränke und die Verantwortung der Forschenden aushebele, ist ISPK-Direktor Krause schon vergangenes Jahr in die Offensive gegangen: Gesteuert vom »linken (oft linksextremen), antimilitaristischen Spektrum«, so beklagte er in einem Offenen Brief, werde mit Hilfe von Zivilklauseln versucht, »eine Verfassungsinstitution wie die Bundeswehr zu diskreditieren und gesellschaftlich zu isolieren«.

Eine erste Version des Briefes hatte Krause noch drastischer formuliert: Er fühle sich durch die Forderung nach Zivilklauseln an Zeiten erinnert, schrieb er da, »in denen Universitäten in Deutschland nicht mit Menschen oder Institutionen kooperieren durften, weil diese jüdisch waren«.

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