Toni Kroos ist jetzt ein König
Real Madrid holt den 24-jährigen Weltmeister, Bayern München verliert selbstverschuldet einen wichtigen Spieler
Schon vom frühen Donnerstagmorgen an beherrschte ein Greifswalder den erfolgreichsten Fußballklub der Welt: »Toni Kroos - nuevo jugador del Real Madrid«. Riesengroß strahlte der 24-Jährige im Weltmeistertrikot von der Internetseite des zehnmaligen europäischen Königsklassensiegers. Im Estadio Santiago Bernabéu wurde Kroos dann am Nachmittag offiziell als neuer Spieler präsentiert.
Barcelona oder Madrid - Hauptsache Spanien, lautete wohl Kroos’ Plan. Zuletzt war auch der FC Barcelona mit einem ernsthaften Angebot in den Poker um den begehrten Mittelfeldspieler eingestiegen. »Ich möchte erst die WM spielen, und wenn sie vorbei ist, wird es eine Entscheidung geben«, konzentrierte sich Kroos auf den Titelgewinn. Nun hat er sich für Real entschieden.
Vielleicht hat sich Kroos aber auch gedacht, Hauptsache weg hier - aus München, vom FC Bayern. Als er 2006 im Alter von 16 Jahren für 2,3 Millionen Euro vom FC Hansa Rostock dorthin kam, versprach Uli Hoeneß, ihm die Nummer zehn zu reservieren. Ein Versprechen, das nie eingelöst wurde. Das ist in gewisser Weise bezeichnend, für Kroos’ letztliche Begründung seines Wechsels: mangelnde Wertschätzung. Meist standen seiner Entwicklung teure Stars im Weg: von Beginn an einer wie Franck Ribéry, später Zé Roberto, Mark van Bommel, Luiz Gustavo, Arjen Robben oder eben geliebte Eigengewächse wie Bastian Schweinsteiger oder Thomas Müller. In einem anderen Klima konnte Kroos seine Stärken zeigen und überzeugen. Für zwei Jahre wurde er 2008 von München nach Leverkusen verliehen - und wurde prompt zum Nationalspieler.
Zuletzt war Kroos auch für den FC Bayern München enorm wichtig. Unter Pep Guardiola, der technisch starke, passsichere und mannschaftsdienliche Spieler mag, kam er in der vergangenen Saison auf 51 Pflichtspiele - so viele wie kein anderer Bayern-Profi. Auch wenn die Höhe der Gehälter im Profifußball absurd ist, für einen Spieler drückt sich genau darin Wertschätzung aus. Diese bestimmt das eigene Auftreten auf dem Platz, und sie ist auch wichtig für das Mannschaftsgefüge. Aber die Münchner verweigerten einem ihrer wichtigsten Spieler, der mit 24 Jahren zudem noch eine große Zukunft vor sich hat, eine ähnliche Entlohnung wie all den anderen Stars.
Der FC Bayern legt viel Wert auf gesundes Wirtschaften, und handelt dabei im Vergleich zu manch ausländischem Konkurrenten sehr vorbildlich. Aber Kroos keinen neuen, »angemessenen« Vertrag zu geben, ist eher Ausdruck eigener finanzieller Fehlplanung im Gehaltsgefüge: Philipp Lahm, Schweinsteiger, Ribéry, Robben sind in der neuen Saison alle schon 30.
Nun darf sich Real Madrid auf den besten Spieler der Weltmeisterschaft freuen. Zwar hat der Argentinier Lionel Messi den Goldenen Ball in Brasilien bekommen. Toni Kroos aber führt die Rangliste des Weltverbandes FIFA als komplettester und wirksamster aller 736 Spieler des Turniers an, Messi schaffte es nicht mal unter die besten Zehn. Kroos wird auch als bester Mittelfeldspieler der WM geführt.
Eine erstaunliche Entwicklung, die 1997 beim Greifswalder SC begonnen hat. »Natürlich bin ich jetzt glücklich, sehr glücklich«, sagte Toni Kroos am Donnerstag in Madrid, wo er gleich für sechs Jahre unterschrieben hat. Vielleicht ist ja auch der FC Bayern glücklich - über die Ablösesumme von rund 30 Millionen Euro.
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