Wer ist in den News?

Regierungsvertreter dominieren die Hauptnachrichten. Vor allem die Sichtbarkeit der SPD profitiert davon. Die Linkspartei wird eher selten gezeigt

  • Tom Strohschneider
  • Lesedauer: 4 Min.

Im vergangenen Jahr haben die vier größten Nachrichtensendungen zusammen mehr als 13 Millionen Zuschauer erreicht. Das ist fast ein Drittel der Zahl der gültigen Stimmen, die bei der vergangenen Bundestagswahl abgegeben wurden. Weshalb die Frage, welche Partei wie oft einen Auftritt in den News hat, als nicht ganz unwichtig gilt: Wer nicht in den Nachrichten vorkommt, droht in einer von medialen Rastern geprägten Öffentlichkeit zu verschwinden, die ohnehin nur den Rhythmus von Zwei-Satz-Zitationen und Schnellzusammenfassungen kennt. Aber will schon freiwillig alle Presseerklärungen der im Bundestag sitzenden Fraktionen lesen, um über die jeweilige Aufstellung auf dem parteipolitischen Schachbrett auf dem Laufenden zu sein?

Nun mag man einwenden: Wie oft eine Partei in den Nachrichten vorkommt, ist zwar wichtig, aber nicht alles entscheidend. Das ist wohl so, aber in der Statistik der Präsenz der Parteien in den Fernsehnachrichten gemessen an der Zahl der Auftritte ihrer Politiker schlägt sich mehr nieder als ein bloßes Ranking der versendeten Gesichter. Seit langem schon zählt das Institut für empirische Medienforschung in Köln aus, wie oft welche Partei in der Tagesschau (20 Uhr), bei Heute (19 Uhr) sowie den Sendungen RTL aktuell und Sat.1 Nachrichten vorkommen. Im Grunde geben die Zahlen Erwartbares wieder: Es geht um Hypes, um politische Unterrepräsentation und um die Über-Sichtbarkeit der Regierenden.

Inzwischen liegen die Zahlen des ersten Halbjahres 2014 vor: Die Linkspartei taucht in der Regel deutlich seltener in den Hauptnachrichten auf, als es ihrer Größe im Bundestag und auch ihrer jeweiligen Umfragestärke in den betreffenden Monaten entspricht. Eine Ausnahme: der Mai, in den die Europawahl und der Bundesparteitag der Linken in Berlin fielen. Nennenswert waren in dem Monat deshalb auch die Nachrichten-Auftritte der Vorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger, üblicherweise wird die Linkspartei ganz überwiegend von einem Mann in den Hauptnachrichten repräsentiert: Linksfraktionschef Gregor Gysi. Auch die Grünen kommen in den News gemessen an ihrer politischen Rolle zu selten weg, aber der Abstand zu vorigem Wahlergebnis und jeweiligem Umfragestand ist über die Monate hinweg deutlich geringer.

Dass die Opposition und vor allem die Linkspartei weniger Aufmerksamkeit in den Medien erhalten, ist freilich keine neue Erkenntnis, was nichts daran ändert, dass hier eine demokratiepolitisch hoch bedenkliche Wahrnehmungsschablone etabliert ist, deren Wirkung darin besteht, dass Alternativen und Kritik grundsätzlich seltener zu Wort kommen als die Position der Regierenden und deren Argumente. Im ersten Halbjahr 2014 fällt aber zudem auf: Nicht die Partei, welche die Kanzlerin stellt, sticht in den Hauptnachrichten überproportional heraus, sondern die SPD.

Vergleicht man den Anteil der Politikerauftritte mit dem jeweiligen Umfragestand, kommen die Sozialdemokraten zum Teil auf beste Werte: Im Februar kamen SPD-Politiker öfter in den Hauptnachrichten vor als Politiker der Union, auch im April war die Sichtbarkeit der Sozialdemokraten sehr hoch. In der Nähe ihrer durchschnittlichen Umfragewerte lag die Partei was die Politikerauftritte in den News angeht eigentlich nur im Juni. Die SPD profitiert also was die mediale Aufmerksamkeit angeht besonders von der Regierungsbeteiligung - dass sie »ihre Themen« wie den Mindestlohn seit Jahresbeginn zum Koalitions- und damit Medienthema machte, wird dabei ebenso geholfen haben wie die Ukraine-Krise, in welcher sich der SPD-Außenminister oft öffentlich zu äußern hat. Richtig ist freilich auch: Die SPD zeigt damit, dass häufige Politikerauftritte in den Nachrichten für sich genommen kein Gewicht bilden - die Sozialdemokraten stehen in den Umfragen auf dem Niveau des Jahreswechsels.

Insgesamt zählte das Institut für empirische Medienforschung in den ersten sechs Monaten des Jahres in den vier reichweitenstärksten Nachrichtensendungen 5.208 Politiker-Auftritte. Die Union kam 2.299 mal ins Bild, das entspricht 44,1 Prozent - im Mittel der Umfragen der seit Jahresanfang veröffentlichten Umfragen von Forsa, Infratest, Emnid, Allensbach und der Forschungsgruppe Wahlen kam die Union auf 40,6 Prozent. Politiker der SPD traten 1.816 mal auf, das entspricht 34,9 Prozent aller gezählten Auftritte - obwohl die Sozialdemokraten im Umfragedurchschnitt bei 24,5 Prozent liegen. Vertreter der Grünen wurden 445 mal gezählt (8,5 Prozent bei einem Umfragemittel von 9,9 Prozent. Und die Linkspartei kommt personell 318 mal in den Hauptnachrichten vor, das entspricht einem Anteil von 6,1 Prozent - bei einem demoskopischen Mittelwert für die ersten sechs Monate von 9,5 Prozent.

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