Demonstration gegen Antisemitismus in Berlin
Proteste gegen Al-Quds-Aufmarsch / VVN und Antifa warnen vor Aktionen, die Antisemitismus ein Forum bieten
Gleich zu Beginn kommt es zu den befürchteten Szenen. Gegendemonstranten zeigen am U-Bahnausgang eine Israel-Fahne. Brüllend stürmen die Teilnehmer der Al-Quds-Demonstration auf die Gruppe zu und schwingen bedrohlich die Stangen ihrer Hisbollah-Fahnen. Die Polizei kann sie nur mit Mühe zurückhalten. Es sind wohl auf Grund des Regenwetters deutlich weniger als die erwarteten 1.500 Israel-Gegner. »Faschisten raus« rufen sie in Richtung der Israel- und Regenbogenfahnen auf der anderen Straßenseite. Die etwa 350 Antifaschisten antworten mit Technobeats und »Free Gaza from Hamas.«
Der 1979 vom iranischen Revolutionsführer Ayatollah Khomeini ausgerufene »Al Quds Tag« dient regelmäßig zur Propagierung der Zerstörung des jüdischen Staates Israel, der Relativierung des Holocausts und zur Instrumentalisierung des Nahost-Konflikts durch Anhänger islamistischer und antisemitischer Gruppen, meinen die Organisatoren der Gegenkundgebung. Al-Quds-Demonstrationen finden weltweit in zahlreichen Städten statt. In Deutschland ziehen seit 1996 jährlich am Samstag nach dem Ende des Fastenmonats Ramadan mehrere hundert Islamisten durch die Berliner City West. In diesem Jahr musste die Al-Quds-Demonstration um einen Tag vorverlegt werden, da am Samstag auf der traditionellen Route am Kurfürstendamm bereits eine Laufveranstaltung stattfindet.
Die Demonstration erhielt durch den aktuellen Konflikt zwischen der Hamas und Israel und dem Vorgehen der israelischen Armee im Gaza-Streifen zusätzliche Brisanz. Seit zwei Wochen kommt es deutschlandweit täglich zu antiisraelischen Demonstrationen. Diese schlagen häufig in antisemitische Ausschreitungen um. In diesem Zusammenhang mehren sich auch die Angriffe gegen jüdische Einrichtungen und Menschen. Zuletzt am Donnerstagabend schlug ein Unbekannter einem Mann in Charlottenburg ins Gesicht, weil dieser eine Kippa auf dem Kopf trug.
Benjamin Steinitz, der für das Projekt Berliner Register antisemitische Vorfälle dokumentiert, ist besorgt. »So schwierig eine Positionierung bezüglich des Nahost-Konflikts auch sein mag, sollte die demokratische Zivilgesellschaft Berlins schnell den anti-jüdischen Tönen auf den Demonstrationen und in den sozialen Netzwerken laut und engagiert eine Absage erteilen«, mahnt Steinitz. Markus Teervoren, Geschäftsführer der Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, bekräftigt: »Sich als links und antifaschistisch verstehende Menschen sollten wissen, dass sie auf Demonstrationen, die Antisemitismus ein Forum bieten, nichts, aber auch gar nichts verloren haben.« Auch Jan Knievel vom Antifaschistischen Bündnis Berlin betonte: »Eine solche Demonstration gegen das Existenzrecht Israels sollte in keiner Stadt Deutschlands unwidersprochen stattfinden.«
Erneut waren in diesem Jahr Neonazis unter dem propalästinensischen Marsch. Ein Mann mit Eisernem Kreuz und Wehrmachtsparole auf dem T-Shirt, hat sein Schild mit eindeutig antisemitischen Parolen und rechtsextremen Aufklebern verziert. Er darf ungehindert mit der Demo mitlaufen. Ebenso wie mehrere Anhänger der NPD-Jugendorganisation »JN« aus Brandenburg. Zahlreiche Politiker, darunter Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), hatten im Vorfeld der Demonstration vor antijüdischer Propaganda gewarnt. »Wir dürfen nicht zulassen, dass aus solchen Demonstrationen antisemitische Hetzkampagnen gestartet werden, dass unsere Mitbürger diskriminiert werden und der Staat Israel verunglimpft wird«, so Wowereit.
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