Gespielte Überraschung: Bundeswehr übt in Israel

Geben und Nehmen: Israels Armee ist wie keine zweite erfahren im Häuserkampf, Deutschland revanchiert sich mit Rüstungslieferungen

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Zusammenarbeit der Bundeswehr mit der Armee Israels wird ausgeweitet. Abgesehen vom Zeitpunkt klingt die »News« wie das Vermelden des alltäglichen Sonnenauf- oder -untergangs.

Beim Militär gilt der Grundsatz: Wer nach oben meldet, ist Verantwortung los. Und so hat Heeresinspekteur Generalleutnant Bruno Kastorf dem Verteidigungsausschuss des Bundestags ordnungsgemäß mitgeteilt, dass demnächst bis zu 250 deutsche Soldaten nach Israel geschickt werden. »Das Heer strebt an, zeitnah israelische Ausbildungseinrichtungen zum ›Kampf im urbanen Gelände‹ (einschließlich Tunnelkampf) bis zur Ebene einer verstärkten Infanteriekompanie zu nutzen.« Außerdem sei für Oktober 2014 eine Besprechung der Heeresgeneralstäbe in Israel geplant.

Und? Nie wurde bestritten, dass die deutsch-israelische Militärkooperation vertrauensvoll und langfristig angelegt ist. Israel ist Deutschlands wichtigster Partner im Nahen und Mittleren Osten, für Israel steht Deutschland nach den USA auf Platz zwei der Bedeutungsskala. Einmal pro Jahr finden Planungsgespräche auf Ebene der Verteidigungsstaatssekretäre statt, die höchsten Militärs treffen sich ebenso regelmäßig. In Israel werden deutsche Drohnenpiloten ausgebildet, der Austausch bei Seminaren und Übungen ist Alltag.

2011 unterstrich der damalige Verteidigungsstaatssekretär Christian Schmidt - heute ist der CSU-Mann Agarminister - Deutschland sei »offen für neue Kooperationsfelder und eine weitere Intensivierung der Zusammenarbeit«. Das aktuelle Vorhaben ist also nur Teil der Normalität. Einzig der Zeitpunkt der Mitteilung ist unpassend. Kastorfs Brief ist mit dem 11. Juli datiert. Drei Tage zuvor hatte Israel wegen der anhaltenden Raketenangriffe der Hamas mit der Operation »Protective Edge« begonnen und im Gaza-Streifen ganze Stadtviertel in Grund und Boden gebombt. Eines der wichtigsten Einsatzziele, so Israels Militärs, sei die Zerstörung der Hamas-Tunnel.

Gerade dieses Ziel zu erreichen, fällt der hochgerüsteten israelischen Armee extrem schwer. Obwohl die unterirdische Angriffstaktik der Hamas seit Jahren bekannt ist, hat Israel immer noch keine technologischen Mittel, um die Terrortunnel aufzuspüren. Schon jetzt wissen Experten, dass die Hamas spätestens sechs Monate nachdem der letzte israelische Soldaten den Gaza-Streifen verlassen hat, wieder unter israelischem Gebiet präsent sein wird.

Die Aufklärung solcher unterirdischen Systeme kann die Bundeswehr von den israelischen Trainern also noch nicht lernen. Wohl aber den Rest im sogenannten Urban Warfare. NATO-Experten rechnen damit, dass künftig 70 Prozent aller Kampfhandlungen nicht auf dem »Feld der Ehre« sondern in bebautem Gelände - in Ortschaften und Städten mit Industrieanlagen, Medienzentren, kulturellen und politischen Einrichtungen - stattfinden. Bereits heute leben weltweit 50 Prozent der Menschen in solchen besiedelten Räumen, 2020 werden es über 85 Prozent sein.

Bestehende Konfliktszenarien für die Nach-Afghanistan-Ära gehen davon aus, dass sich die hochgerüsteten NATO-Responce-Forces und EU-Battlegroups auf Gegner in Ballungszentren einstellen müssen. Waffen- und militärtechnisch unterlegen, sind sie dennoch im Vorteil. Die zumeist irregulären Gruppen kennen sich in ihren Orten aus, nutzen die Anwesenheit von Zivilisten, ziehen also alle Register der asymmetrischen Kriegsführung. Westliche Militärs haben dafür die Kurzformel MOUT erdacht - Military Operations in Urban Terrain.

Spätestens seit Grosny (1995) oder Falludscha (2004), wo Russen und US-Amerikaner schwerste Verluste hinnehmen mussten, hat die Bundeswehr diese Kampftaktik »auf dem Zettel«. Doch man ist weit davon entfernt, in solchen Kämpfen zu bestehen. Da kommt Israel ins Spiel. Dessen Truppen haben in Libanon und Gaza mehr als jede andere Streitmacht MOUT-Erfahrungen gesammelt - und in der Negev-Wüste ein entsprechendes Trainingszentrum. Da kann man bis zur Bataillonsstärke üben. Neben US-Spezialeinheiten will nun die Bundeswehr dort ihre Elite drillen lassen.

Die deutsch-israelisch Partnerschaft ist keineswegs eine Einbahnstraße. Im Mai wurde das vierte von insgesamt sechs U-Booten der Dolphin-Klasse an Israel übergeben. Die bei HDW in Kiel gebauten Boote können mit atomar bestückten Marschflugkörpern ausgerüstet werden.

U-Boote sind zum Kampf gegen die Palästinenser ungeeignet, lautet ein immer wieder gehörtes Argument für die Lieferung. Stimmt. Anders ist das beim wichtigsten israelischen Kampfpanzer »Merkava«. Der wird rudelweise nach Gaza geschickt. 2013 hat die israelische Armee neue »Merkava IV« bestellt. Darin sind zahlreiche deutsche Komponenten verbaut: Die Getriebe stammen von der Renk AG, die Motoren von MTU. Die 120mm-Glattrohrkanone wurde vom Rheinmetall-Konzern entwickelt.

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