Verbissen

Oliver Händler über falschen Jubel und genauso falschen Protest

  • Lesedauer: 2 Min.

Man kann’s auch übertreiben. Sich 100 Meter vor dem Ziel das Lauftrikot auszuziehen, um sich darin zu verbeißen und auf diese Weise seinen nächsten Europameistertitel zu feiern, war wirklich etwas daneben, auch wenn es mal ein interessanter Farbtupfer zwischen den sonst so immergleichen Leichtathletikbildern war. Dass Mahiedine Mekhissi-Benabbad dafür gleich die Goldmedaille verwehrt wird, ist aber ebenso übertrieben.

Die Kampfrichter in Zürich hatten schon richtig reagiert, als sie dem Franzosen nach dem Zieleinlauf die gelbe Karte zeigten und ihn somit verwarnten. So etwas sollte man nicht ausufern lassen, sonst zieht sich Usain Bolt in Rio nach 50 Metern noch die Schuhe aus und trabt barfuß zum nächsten Olympiasieg. Dass der spanische Verband aber so heiß auf eine Bronzemedaille war und daher Protest einlegte, ist mindestens genauso verbissen und unfair wie die nicht als Provokation gemeinte, aber von anderen Athleten so empfundene Jubelgeste des Franzosen.

Ángel Mullera hatte allein auf der letzten Runde gut 30 Meter auf den Franzosen verloren. Der hatte den Spanier nicht behindert und ein Dopingverstoß liegt - bislang - auch noch nicht vor. Auf diese Bronzemedaille kann der Spanier also wahrlich nicht stolz sein, auch wenn der Protest seines Verbands den Regeln entsprechend erlaubt war.

Man muss nicht immer protestieren, nur weil man es darf. Im Sport ging es mal darum zu vergleichen, wer der Beste ist, nicht darum, wer am gediegensten in die Kameras lächelt. Mahiedine Mekhissi-Benabbad war der Beste. Nur weil ihn offenbar keiner mag, heißt das nicht, dass er den EM-Titel von Zürich nicht verdient gehabt hätte.

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