BND-Spionage: Opposition verlangt Aufklärung
Berichte: Nicht nur Clinton, sondern auch Telefonat von Kerry «als Beifang» / NATO-Staat Türkei ebenfalls im Visier / CSU-Mann Uhl vermutet Retourkutsche der US-Dienste
Berlin. Nach Bekanntwerden von Informationen, denen zufolge der BND Hillary Clinton in ihrer Zeit als US-Außenministerin sowie ihren Nachfolger John Kerry abgehört haben soll, hat der Linkenpolitiker Jan Korte eine «schnelle und vollständige Aufklärung des Vorgangs» verlangt - nicht nur im Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestags, sondern auch im Innenausschuss. Der Bundesnachrichtendienst sei ganz offenkundig zu einem Staat im Staate geworden. Die Kontrolldefizite sind offenbar gewaltig«, sagte der Linksfraktionsvize dem »Handelsblatt«. Die Linkenvorsitzende Katja Kipping sagte dem »Tagesspiegel«, man wolle auch »wissen, seit wann Regierungsmitglieder davon wussten, dass der BND Regierungsmitglieder von Verbündeten ausspäht«. Dies sei »keine Kleinigkeit«, so Kipping zu dem Blatt.
Die Grünen schlossen sich dem an. »Es ist unfassbar, dass wir erst nach über einem Jahr intensiver Diskussion über die NSA-Affäre erfahren, dass auch unsere eigenen Nachrichtendienste aktives Ausspähen verbündeter Staaten betreiben«, sagte Grünen-Chefin Simone Peter der »Welt am Sonntag«. Konstantin von Notz, Grünen-Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages, verlangte, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) müsse jetzt umgehend erklären, seit wann sie Kenntnis von den Vorgängen hatte.
BND hörte Telefonat von US-Außenministerin Clinton ab
Bundesregierung spricht von Ausnahme / Medien berichten über mehrere Fälle - hier
Auch der CSU-Innenexperte Hans-Peter Uhl forderte Aufklärung und sagte, »der BND muss zu den Vorwürfen im Kontrollgremium für die Geheimdienste Stellung nehmen«. Gegenüber »Bild« nannte es Uhl zugleich unwahrscheinlich, dass der Auslandsnachrichtendienst tatsächlich Clintons Mobiltelefon abgehört habe. Er sei »misstrauisch«, was entsprechende Berichte betreffe. Es sei zu erwarten gewesen, dass amerikanische Dienste versuchten, nach der NSA-Abhöraffäre eine Retourkutsche gegen den BND zu fahren.
Unterdessen meldet der »Spiegel«, der BND habe jahrelang die Türkei überwacht und tue dies vermutlich noch heute. Demnach wurde der deutsche Nato-Partner im derzeit noch aktuellen »Auftragsprofil« der Bundesregierung aus dem Jahr 2009 als offizielles Aufklärungsziel geführt. Die Regierung lege alle vier Jahre die Schwerpunktziele des Auslandsgeheimdienstes BND fest. Das aktuelle Profil sei bislang wegen der NSA-Spähaffäre nicht erneuert worden, schreibt das Magazin.
Das Magazin berichtet zudem, dass mindestens ein Gespräch von US-Außenminister Kerry belauscht wurde. Das im Jahr 2013 über Satellit geführte Telefongespräch landete demnach als »Beifang« im Überwachungsnetz des BND, das dieser über den Nahen Osten gespannt hat - ähnlich wie im Jahr zuvor ein Clinton-Telefonat. Clinton habe seinerzeit ein Gespräch mit dem ehemaligen UN-Generalsekretär Kofi Annan geführt. Die Telefonate der Amtsträger seien nicht gezielt überwacht worden, sondern zufällig im Rahmen anderer Operationen, hieß es dem Magazin zufolge in Sicherheitskreisen.
Über die Abhöraktion gegen Clinton hatten schon die »Süddeutsche Zeitung« sowie die Sender NDR und WDR am Freitag vorab berichtet. Dies gehe aus den Dokumenten hervor, die der im Juli festgenommene Spion im BND an den amerikanischen Geheimdienst CIA übergeben habe. Der Mann habe inzwischen gestanden, den USA in den vergangenen zwei Jahren mindestens 218 Dokumente geliefert zu haben.
Nach den Berichten haben die USA damit begonnen, die erhaltenen Informationen im aktuellen Streit über US-Spionageaktionen in Deutschland zu nutzen. Das abgehörte Clinton-Telefonat nähmen sie als Beleg dafür, dass auch die Deutschen die USA ausspioniert haben. Kerry soll seinen deutschen Kollegen Frank-Walter Steinmeier (SPD) auf den Vorgang angesprochen haben. Auch Denis McDonough, der Stabschef von US-Präsident Barack Obama, soll die Abhöraktion bei einem Besuch bei Kanzleramtsminister Peter Altmaier zur Sprache gebracht haben. Deutsche Regierungskreise bestreiten den Berichten zufolge, dass es eine systematische BND-Spionage gegen die USA gebe. dpa/nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.