Kochschule Neuschwabenland

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 6 Min.
Nazis entdecken die vegane Ernährung für sich und kopieren damit einen Trend, um anschlussfähig an das junge Publikum zu bleiben. Mit der eigentlichen Idee der Vegan-Bewegung haben die Rechten allerdings nichts zu tun.

Es gibt vermeintliche Argumente gegen die vegetarisch-vegane Bewegung, die halten sich seit Jahrzehnten hartnäckig. Hitler war Vegetarier ist so ein Beispiel, denn wenn der Führer kein Fleisch verzehrte, dann kann hinter der friedliebenden Fassade in Wahrheit nur eine Horde Naziideen nachhängender Rassisten stecken. Zum Glück kam im Geiste Guido Knoppscher Geschichtsrecherche noch niemand auf den Gedanken, Hitlers Zugehörigkeit zum biologisch männlichen Geschlecht damit in Verbindung zu setzen, dass der Mann grundsätzlich nur ein miesepetriger Nazi sein kann.

Da tut es auch nichts zur Sache, dass der vermeintliche Veggie-Führer wohl eher ein Fall für die Mythosmottenkiste aus dem Dritten Reich darstellt. Belegt ist lediglich, das Hitler in seinen letzten Lebensjahren deutlich weniger Fleisch aß, da sein Magen, wie auch der Rest seines Körpers, nun wahrlich nicht zum selbst propagierten Rassenwahnkonzept passte und mit der fleischbeladenen Hausmannskost der 30er Jahre zunehmend Probleme hatte. Es dürfte deshalb definitiv die gesundheitliche Notwendigkeit als ein ernsthaftes ethisches Konzept dahinterstecken, warum bei Hitler wenig Fleisch (Nicht zu verwechseln mit gar keinem Fleisch.) auf dem Teller landete, von veganer Ernährung – um die es bei der Argumentation eigentlich geht – noch viel weiter abgesehen.

Deutlich mehr Gedanken sollte sich die Veggie-Community deshalb nicht über dumpfe Polemiken unbelehrbarer Vegan-Kritiker machen, sondern sich auf jene stramm rechte Bewegung konzentrieren, die aktuell den Veganismus für ihre Zwecke missbrauchen.

Wer auch aus ethisch-moralischen Gründen Veganer geworden ist, dem dürften die seit einigen Monaten auf Youtube verbreiteten Videos im wahrsten Sinne übel aufstoßen – mehrheitlich junge Männer treten darin mit Sturmhauben maskiert als vegane Köche auf. Als Kulisse dient die Küche einer Dachgeschosswohnung – in welcher Stadt sich der Drehort befindet, ist unklar, genauso ob und wenn ja zu welcher konkreten rechten Gruppierung oder Kameradschaft die Protagonisten gehören.

Die meist zu zweit auftretenden Männer, zu denen in manchen Videos wahlweise weitere Personen der rechten Szene gesellen, treten betont jugendlich auf, geben sich in ihren Moderationen locker und betonen wiederholt, dass all ihre Rezepte komplett auf tierische Produkte verzichten und bio bzw. manchmal sogar aus dem Müllcontainer stammen. Das damit verbundene Ziel ist klar: Die beiden Nazis wollen mit ihrer rechten Kochschule Anschluss an die zumeist etwa gleichaltrige Zielgruppe außerhalb der rechten Szene gewinnen und kopieren deshalb wesentliche Elemente von Kleidung, Sprache und Stil, wie man sie unter anderem aus Jugendkulturen wie die sich als szenebewusste Großstadtbewohner inszenierenden Hipster kennt. Neu ist diese Herangehensweise der rechten Szene nicht: Immer wieder kopieren Nazis Trends für ihre Zwecke. So gelten Auftreten und Stil der Autonomen Nationalisten als unmittelbare Antwort auf autonome linke Gruppen, beispielsweise in Antifa-Zusammenhängen.

Ganz ähnlich agieren nun die »Nipster« (Ein nach den ersten Berichten über die Szene geprägtes Kunstwort aus Nazi und Hippster.), wenngleich es sich im Fall der veganen Nazi-Köche auf Youtube um eine Mischung des Hippster-Stils und einem gleichzeitig aggressiven Gegenpol handelt, wie die primär zur Tarnung dienenden Sturmmasken verdeutlichen.

Wenn die beiden Nazis vor der Kamera andeuten, im nächsten Moment womöglich das Kücheninventar zerschlagen zu wollen, heben sie sich gezielt von sonstigen mehrheitlich harmlosen Jugendbewegungen ab. Die dahinterliegende Botschaft ist doppeldeutig: Einerseits sollen die wiederholt gezeigten Andeutungen von Gewalt der eigenen rechte Szene das Signal senden, wonach selbst ein Nipster in seiner Ideologie weiterhin aggressiv bleibt, andererseits soll die offensichtlich verharmlosende Gewalt nach Außen bekräftigen, dass die Abneigung gegen Andersdenkende sich mit dem Chic eines Glitzerponys auf dem T-Shirt vereinbaren ließe. Der Veganismus ist in diesem Zusammenhang nur ein weiterer, wenn auch immer wichtiger werdende Baustein, da insbesondere die Zahl an jungen Menschen rasant wächst, die auf tierische Produkte komplett verzichten.

Die Naziszene will diese Entwicklung für sich nutzen und knüpft dort an, wo sich stets vermeintlich unpolitische Themenfelder finden lassen. Sehr wahrscheinlich kommt den Neonazis dabei die Entwicklung des Veganismus insbesondere in den letzten Jahren entgegen. Aus einer noch vor kurzem häufig auf linke, politische Ansätze zurückgehenden Bewegung (Zur genaueren wissenschaftlichen Lektüre sei u.a. das Buch Matthias Rude »Antispeziesismus. Die Befreiung von Mensch und Tier in der Tierrechtsbewegung und der Linken« empfohlen.) ist durch eine gezielte Neuinterpretation zwar einerseits die Zahl der Veganer regelrecht explodiert, dies aber andererseits zum Preis einer zunehmenden Entpolitisierung.

Zwar geben Veganer in Umfragen immer wieder an, ihre Entscheidung für eine tierfreie Ernährung habe oftmals mit ethischen Bedenken – in erster Linie unmittelbar gegenüber Tieren zu tun - doch in den meisten Fällen verbirgt sich dahinter immer seltener eine grundsätzliche und noch weniger ein fundierte Systemkritik, wodurch es zu einer Sinnentleerung des Veganismus kommt. In diese Lücke versuchen nun die Nipster vorzudringen, denn wer lediglich oberflächlich plakativ die Forderung nach mehr Tierschutz vertritt, der ist möglicherweise auf anderen Politikfeldern für die Botschaften von rechts empfänglich.

Aus ihrer Ideologie machen die veganen Küchennazis in ihren Videos nur bedingt einen Hehl, oft handelt es sich um eine Mischung aus versteckten Szenecodes und offensichtlichen antisemitischen, rassistischen, homophoben und anderen menschenfeindlichen Einstellungen. Wenn in einer Folge auf den Oberteilen der Nazikochcrew der Schriftzug »Haus Montag Pirna« zu lesen ist, dann wissen allenfalls eingeweihte Rechte und Szenekenner, dass sich dahinter eine versteckte Solidaritätsbekundung für ein von der rechtsextremen NPD betriebenes »nationales Zentrum« versteckt, dessen Name wiederum auf ein Projekt italienischer Nazis zurückgeht.

Ebenfalls unscheinbar ist eine Szene, in der einem der beiden Hauptakteure angeblich seine Blutgruppe in den Arm tätowiert werden soll. Dieses Prozedere war früher in der Waffen-SS üblich, die Tätowierung galt sogar als Erkennungszeichen, weshalb sich viele Träger nach dem Zweiten Weltkrieg das Symbol teilwesie durch Selbstverstümmelung entfernten. Zunächst unscheinbar kommt ebenfalls der Hinweis am Ende eines Videos daher, indem einer der beiden Köche seine Solidarität mit drei im Frühjahr vom sächsischen Innenministerium verbotenen Gruppen erklärt.

Dass es sich dabei unter anderem um die »Nationalen Sozialisten Chemnitz (NSC)« handelt, verschweigt das Video, die ideologische Nähe wird aber offensichtlich, wenn die Protagonisten erklären, sie hassten Kommunisten und seien »frei, sozial und national.« Explizit als braunes Gedankengut unmittelbar Erkennbares fällt manchmal nur nebenbei auf, die Silhouette Adolf Hitlers auf den Shirts in einer Folge wird durch den Schriftzug »Ein Mensch ist illegal« verdeckt, ist daher schwer erkennbar.

Gerade weil die missbräuchliche Propagierung des Veganismus durch die rechte Szene durchaus oberflächlich gesehen in ihr eigenes Konzept des Heimatschutzes passt, müsste die vegane Bewegung umso wachsamer sein und den Grundgedanken der Befreiung von Mensch und Tier – wie ihn die Tierbefreiungsbewegung vertritt – stärker in den Fokus rücken. Anschlussfähig an die rechte Szene ist der Veganismus nur dann, wenn er seine Bestandteile Umweltschutz, Soziales, Tier- und Menschenrechte sowie die Kapitalismuskritik nur isoliert und nicht in Zusammenhängen betrachtet. Unter diesem Blickwinkel schließen sich Veganismus als ethisches Konzept und rechtes Gedankengut aus. Dann sind Rezepte wie die »Gebräunten Auberginen« oder der »Neuschwabenland Käsekuchen« nur noch eines: Unappetitliche Propaganda.

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