Ausgegondelt an der Elbe
Das klare Nein beim Hamburger Bürgerentscheid zur Elb-Seilbahn überrascht die Beteiligten
Die Seilbahn über die Elbe im Hamburger Stadtteil St. Pauli ist quasi abgestürzt, bevor sie gebaut wurde. Bei einem Bürgerentscheid im Bezirk Hamburg-Mitte sprachen sich knapp zwei Drittel der Bewohner gegen das von dem Musicalunternehmen Stage Entertainment und einem österreichischen Seilbahnbauer geplante Projekt aus. Die Gegner des Bürgerbegehrens »Hamburger Seilbahn - Ich bin dafür« werteten das Abstimmungsergebnis als »Sieg für die Demokratie«.
Dieser Jubel und die spontan anberaumte Sekt-Party störte sogar die Anwohner nicht: Am Mittwochnachmittag ließen die Seilbahn-Gegner die Korken auf dem Spielbudenplatz mitten im Herzen von St. Pauli knallen. »Als ich erfuhr, dass sich eine Tendenz zum Nein abzeichnet, konnte ich es kaum glauben«, freute sich Sabrina Hirche, die sich mit einer Initiative gegen die Seilbahn eingesetzt hatte. Sie sei »völlig überwältigt«, mit einem so deutlichen Votum hatte auch sie nicht gerechnet: Von 204 000 Wahlberechtigten stimmten 31 769 stimmten gegen und 18 312 für die Seilbahn, die nun wohl endgültig ausgegondelt hat.
Der SPD-Senat hatte die Entscheidung über das Projekt in den Bezirk verlagert und wird sich nun an das Votum halten müssen. Denn würde er nachträglich von seinem Evokationsrecht Gebrauch machen, würde er als bürgerfeindlich und abgehoben angesehen werden und die Chancen der Sozialdemokraten bei der Bürgerschaftswahl im Februar 2015 schmälern. »Das Ergebnis zeigt, dass wir als einfache Bürger ohne viel Geld im Hintergrund gegen Konzerne und Lobby-Verbände gewinnen können - das ist ein Sieg für die Demokratie«, kommentierte Theresa Jakob von der Initiative »Keine Seilbahn über unseren Köpfen« den Erfolg.
»Die BürgerInnen in Mitte haben eine kluge Entscheidung getroffen«, pflichtete Michael Osterburg, Grünen-Fraktionschef im Bezirk Mitte, bei: »Es hat sich auch gezeigt, dass ein Bürgerentscheid nicht mit teuren Kampagnen gewonnen wird, sondern durch überzeugende Vorschläge und Argumente.« LINKEN-Landesvorstandsmitglied Christine Detamble-Voss sagte: »Die BürgerInnen in Hamburg-Mitte haben sich nicht täuschen lassen. Diese Seilbahn sollte einzig und allein den Wirtschaftsinteressen der BetreiberInnen dienen.«
Das hochtrabende Projekt, eine Gondelbahn über den Elbstrom zu bauen und die Hafensilhouette in Innenstadtnähe mit 92 Meter hohen Pylonen zu verschandeln, war von Beginn an umstritten. Die Bezirksversammlung Mitte hatte sich ebenso dagegen ausgesprochen wie der im Stadtteil St. Pauli lebende Bezirksamtsleiter Andy Grote (SPD).
Vor allem die Bewohner des Vergnügungsviertels St. Pauli reagierten mit Skepsis auf die Idee, ihren Kiez neben Harley Days, Schlager-Move, Hafengeburtstag, Grand-Prix-Partys sowie Floh- und Weihnachtsmärkten mit noch einer touristischen Attraktion zu belasten. Sie befürchten eine weitere Eventisierung der »geilen Meile« und eine noch stärkere Verdrängung sozial schwacher Menschen aus dem boomenden Viertel am Hafenrand.
Auch die bisweilen etwas großkotzig wirkende Argumentation der Befürworter mag zu dem Ergebnis beigetragen haben. So hatte der österreichische Investor Michael Dopelmayr getönt, wenn in Voralberg eine Seilbahn gebaut werden solle, gingen einige Unternehmer und der Bürgermeister zünftig in ein Wirtshaus oder auf die Jagd - und dann werde das gemacht. Derartige Sprüche kamen bei den widerspenstigen Norddeutschen nicht gut an.
Doppelmayr hatte vor, das 35-Millionen-Projekt zusammen mit dem Musical-Unternehmen Stage Entertainment stemmen. Die Seilbahn sollte touristische Attraktion und Verkehrsmittel zugleich sein - aktuell müssen die Besucher der Musicals mit städtischen Barkassen über die Elbe nach Steinwerder schippern. Enttäuscht reagierte unter anderem auch Handelskammer-Chef Hans-Jörg Schmidt-Trenz: »Von einer Seilbahn hätten neben unseren Gästen sämtliche Hamburger profitiert.« Das sahen die Gegner offenbar anders.
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