Lehrer-Buch: Linkspartei hält Brodkorb für untragbar
Umstrittener Ratgeber in Mecklenburg-Vorpommern: SPD und Linke streiten über personelle Konsequenzen
Berlin. Nach dem Rückruf eines umstrittenen Ratgeberbuchs für Lehrer in Mecklenburg-Vorpommern streiten SPD und Linke über personelle Konsequenzen. Die oppositionelle Linksfraktion kündigte für die Landtagssitzung Mitte September an, Ministerpräsident Erwin Sellering aufzufordern, seinen Bildungsminister Mathias Brodkorb (beide SPD) zu entlassen. »Das Maß ist voll, der Minister ist aus unserer Sicht seinem Amt nicht gewachsen«, erklärte Linksfraktionschef Helmut Holter am Mittwoch in Schwerin. Die SPD wies dies entschieden zurück.
Brodkorb hatte das Buch »Schule kann gelingen!« der Autorin Enja Riegel mit einer eigenen Empfehlung an alle 12 000 Lehrer im Land verteilen lassen, wegen einer fragwürdigen Danksagung an den früheren Leiter der Odenwaldschule in Hessen aber wieder eingezogen. Der inzwischen verstorbene Mann stand im Mittelpunkt des Missbrauchsskandals an der Schule. Nach Bekanntwerden der Vorfälle war die Danksagung aus dem Buch genommen worden. Der Verlag übermittelte aber versehentlich die alte Fassung zum Nachdruck nach Schwerin, was erst verspätet bemerkt wurde.
SPD-Fraktionschef Norbert Nieszery nannte die Linke-Vorwürfe gegen Brodkorb armselig. »Mit ihren abstrusen Vorwürfen versucht die Linksfraktion das Leid der missbrauchten Kinder an der Odenwaldschule politisch zu instrumentalisieren«, sagte der SPD-Politiker. Über die Bekanntschaft der Buchautorin mit dem Ex-Direktor der Odenwaldschule solle eine Nähe zum Bildungsminister konstruiert werden.
»Dieses Verhalten ist eine Unverschämtheit und an politischer Armseligkeit nicht zu überbieten«, erklärte Nieszery. Die Linke habe damit die Grenze des politischen und menschlichen Anstands überschritten und sich ins Abseits gestellt. Brodkorb habe schnell und richtig reagiert und mit dem Verzicht auf den Nachdruck alles getan, um die Debatte im Interesse der Schulen zu beenden. Das Buch selbst sei ein in der Fachwelt hoch angesehenes Werk, die Autorin für ihre pädagogischen Konzepte geschätzt.
Holter hielt dem entgegen, es sei bekanntgewesen, »dass die Autorin des Buches eine große Nähe zum ehemaligen Leiter der Odenwaldschule hatte und an ihrer eigenen Schule einen fragwürdigen Umgang mit einem Sexualstraftäter pflegte«. Zudem sei auch der Inhalt des Buches »höchst problematisch«. Nach NDR-Recherchen geht es in einer Beschreibung für Schultheater-Rollen unter anderem um Gewaltdrohungen. Brodkorb habe fahrlässig gehandelt und damit erneut gezeigt, dass ihn das Amt überfordere, resümierte Holter.
Das Bildungsministerium begründete am Mittwoch den Verzicht auf einen nochmaligen Nachdruck der nun korrigierten Buchfassung. Nach Bekanntwerden der umstrittenen Danksagung Riegels an den ehemaligen Leiter der Odenwaldschule sei der Text erneut geprüft worden. »Dabei sind Textpassagen aufgefallen, die im Lichte der neuen Erkenntnisse zu einer anderen Bewertung führen müssen«, erklärte Ministeriumssprecher Henning Lipski. Regieanweisungen etwa zum Kleidungswechsel von Jungen und Mädchen könnten angesichts der Debatte um das Buch und die Vorgänge in der Odenwaldschule »problematische Assoziationen« auslösen. dpa/nd
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.