Neues von »Großbaustelle 793«

Mit Spaten und Hacke vom Main zur Donau - eine Münchner Ausstellung erklärt den geheimnisvollen »Karlsgraben«

  • Klaus Tscharnke, München
  • Lesedauer: 3 Min.
Manche halten ihn für die größte Baustelle des Frühmittelalters, den 793 begonnenen ersten Main-Donau-Kanal. In einer Ausstellung präsentieren Denkmalschützer nun neueste Forschungsergebnisse.

Alles klang plausibel und auch die Überlieferungen schienen zuverlässig - trotzdem waren die Zweifel an einem angeblich schon im 8. Jahrhundert erbauten Main-Donau-Kanal nie ganz verstummt. Doch knapp zweijährige Forschungsarbeiten liefern nun den Beweis: Bei dem bis heute erhaltenen Wassergraben und den beiderseits davon aufgeschütteten Erdwällen bei Treuchtlingen in Mittelfranken handelt es sich um Reste eines historischen Wasserstraßenprojekts aus der Zeit Karls des Großen. Als Verbindung zwischen Schwäbischer Rezat und Altmühl sollte es Rhein- und Mainschiffern die Fahrt bis zum Schwarzen Meer ermöglichen.

Und auch am Baubeginn des »Karlsgrabens« im Jahr 793 zweifeln die Fachleute nach jüngsten Bodensondierungen und Forschungsgrabungen nicht mehr im Geringsten. Ergebnisse der jüngsten Forschungen präsentiert das rund 30-köpfige Forscherteam der Universitäten Jena und Leipzig sowie des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege derzeit in München. Die Ausstellung unter dem Titel »Großbaustelle 793« ist noch bis zum 10. Oktober im Gebäude des Landesamtes zu sehen.

Bei der Frage, ob der Kanal je fertiggestellt wurde und ob er jemals benutzt wurde, übt sich die Münchner Archäologin Stefanie Berg-Hobohm allerdings in wissenschaftlicher Zurückhaltung. »Wir können zumindest nicht beweisen, dass er nicht funktioniert hat«, fasst sie die Ergebnisse der seit 2012 laufenden Forschungen zusammen. Dabei setzt sie auf die noch ausstehenden Untersuchungen in der Altmühl-Aue. Sie hofft, herauszufinden, in welchem Bereich der einstige Kanal an die Altmühl im Süden angebunden war.

Doch bereits die jetzigen, im Nordabschnitt konzentrierten Forschungen haben für Gewissheiten gesorgt, die den »Karlsgraben« in neuem Licht erscheinen lassen. »Wir haben mit unseren Erkundungen zeigen können, dass der Kanal auf einer stattlichen Länge vorhanden war - auch da, wo man ihn heute nicht mehr sieht«, macht Berg-Hobohm deutlich. Neben einer exakten Vermessung des Geländes nördlich von Treuchtlingen konnten sich die Wissenschaftler auf hochauflösende Geländemodelle stützen, die von Luftbild-Scannern gewonnen wurden.

Die damit erzeugten Bilder offenbarten Spuren früherer Aushubwälle des Kanals - das, was Regenwasser, Erosion und die Ackernutzung nach mehr als 1200 Jahren übrig gelassen haben. Um die geostrategisch wichtige Verbindung von Rezat und Altmühl zu schaffen, hatten die Arbeiter lediglich eine Strecke von rund 1,8 Kilometern und einen Höhenunterschied von zwölf Metern überwinden müssen.

Als noch aufschlussreicher erwiesen sich die aufwendigen Grabungen eines Archäologenteams im vergangenen Herbst. 50 Meter westlich der Rezat legten sie einen 25 Meter langen und zwei Meter breiten Graben an, der die vermutete Kanaltrasse im 90-Grad-Winkel durchschnitt. Bei Geländeschnitt und Probebohrungen zeigte sich: Reste des Kanals liegen inzwischen mehrere Meter tief unter Sand- und Erdablagerungen, berichtet Ausgrabungsleiter Lukas Werther in einem Aufsatz.

Zugleich lieferten die Grabungen konkrete Anhaltspunkte für die Bauweise des Kanals. Demnach haben Bauarbeiter mit einfachen Spaten und Hacken zunächst eine flache Senke ausgehoben. »Damit sollte ein Nachrutschen des Erdmaterials an den Grabenflanken minimiert werden«, erläutert Werther. Die eigentliche, rund 5,5 Meter breite Kanaltrasse sei schließlich bis zu einer Tiefe von 1,30 Meter abgetragen worden - tief genug für die flachen frühmittelalterlichen Plankenboote. Sodann trieben die Arbeiter an den Kanalrändern zugespitzte Holzbohlen als eine Art Spundwand in die Erde.

Dank der bis heute im Boden erhalten gebliebenen Hölzer besteht nun auch Gewissheit über den Baubeginn des Karlsgrabens: Moderne Datierungsmethoden ergaben, dass das für den Kanalbau verwendete Bauholz im Spätsommer 793 in der Umgebung geschlagen wurde - das Jahr, das auch in historischen Annalen als Baujahr genannt wird.

Die unterschiedlichen Höhen der Kanalsohlen zeigen nach Einschätzung der Forscher, dass die Schifffahrtsverbindung als Kette von Kanälen und Weihern angelegt worden war. Da Schleusen noch unbekannt waren, nutzte die Schifffahrt der karolingischen Zeit Rampen, um die Kanalstufen zu erklimmen. Die schmalen Nachen wurden mittels Seilen auf Rutschen hochgezogen. dpa/nd

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