Glamour und gutes Gewissen
Die Formel E startet ihre Premierensaison in Peking
Rennsport aus der Steckdose: Angeführt von Hollywood-Star und Teambesitzer Leonardo DiCaprio betritt die Formel E die große Bühne. Mit dem Auftaktrennen am Samstag in Peking ist der Motorsport endgültig im 21. Jahrhundert angekommen. Bis zu 230 Stundenkilometer schnelle Elektrorennwagen sollen die Fans in ihren Bann ziehen. Lärm und Gestank sind out, der Racer von heute denkt auch an die Umwelt.
Das trifft nicht jedermanns Geschmack. »Ich finde es Käse. Ich bin überhaupt kein Fan davon und könnte mich als Zuschauer dafür null begeistern«, sagt Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel. Einem Liebhaber röhrender Motoren und vierstelliger PS-Zahlen von der Leisetreter-Formel zu überzeugen, ist wohl ähnlich schwer, wie einem Steakhouse-Besitzer das neueste Tofuschnitzel schmackhaft zu machen. Spötter mögen jedoch bemerken, dass die aktuellen Formel-1-Boliden auch nicht viel lauter als ein Staubsauger sind.
Doch es geht um viel mehr beim Rennsport 2.0. In einer Zeit, in der jungen Menschen das neueste Smartphone wichtiger ist als der eigene fahrbare Untersatz, muss der Motorsport neue Wege suchen - und beginnt nun, diese auch zu beschreiten.
Die Anfänge sind gemacht, die Unterstützung ist groß und prominent, die Rennorte hochkarätig. Die leisen Flitzer der zehn Teams, darunter auch Audi Abt Sport aus dem Allgäu, zischen durch London, Berlin, Miami, Monte Carlo und viele mehr. Am Steuer sitzen zahlreiche ehemalige Formel-1-Piloten. Darunter auch der 183-malige Formel-1-Starter Nick Heidfeld. Er hat beim Venturi-Team unterschrieben, bei dem Mitbesitzer Leonardo DiCaprio Glamour und gutes Gewissen vereint. »Die Zukunft unseres Planeten hängt ab von unserer Bereitschaft, wirtschaftliche und umweltfreundliche Fahrzeuge zu benutzen«, hatte der Hollywood-Star bei der Vorstellung der Rennserie Anfang des Jahres in Las Vegas gesagt.
Die Zukunft der Formel E hängt dagegen vor allem von ihrer Debütsaison ab. Dem Auftakt in Peking, wo die Rennstrecke rund um das Olympiastadion von 2008 führt, folgen neun weitere Stationen. Das vorletzte Rennen steigt am 30. Mai 2015 in Berlin, das Finale am 27. Juni in London. Weitere Metropolen stehen in den Startlöchern, bis zu 20 Rennen pro Saison halten die Macher für möglich.
Die »ePrix« genannten Veranstaltungen gehen relativ schnell über die Bühne. Training, Qualifying und Rennen werden auf nur einem Tag komprimiert. Zum Vergleich: die Formel 1 braucht jedes Mal drei Tage. Gefahren wird rund 45 Minuten, wobei zur Halbzeit die Autos gewechselt werden müssen. Dann ist den Einheitsboliden nämlich der Strom ausgegangen. Die Batterien halten noch nicht eine ganze Rennlänge durch.
In einer Zeit, in der die Aufmerksamkeitsspanne gerade mal für einen 140-Zeichen-Tweet reicht, dürfte die Formel E auch hier seiner jungen Zielgruppe entgegenkommen. Fans können zudem interaktiv ihrem Favoriten zu mehr Leistung verhelfen, der »FanBoost« setzt mitten im Rennen zusätzliche PS frei.
Hip soll sie sein, chic soll sie sein, dem Zeitgeist entsprechen. Wie spannend das Gesamtpaket der Formel E wirklich ist, darauf wird Peking eine erste Antwort geben. »Es ist eine große Herausforderung, wie bei einem Cocktail müssen die verschiedenen Zutaten zusammenpassen«, sagt Jean Todt, Präsident des Motorsport-Weltverbands FIA. Er ist allerdings schon jetzt überzeugt: »Die Formel E ist ein großer Schritt in der Geschichte des Motorsports.«
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