Kampagne listet nukleare Hotspots auf

»Atommüll-Alarm« will Bewusstsein für Probleme in Regionen schaffen

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Bundesregierung beschränke sich auf die Suche nach einem Endlager nur für den hochradioaktiven Müll, sagt Peter Dickel. Er ist Sprecher der Kampagne »Atommüll-Alarm«, die am Wochenende mit einem Straßentheaterstück bei der Braunschweiger Kulturnacht und einer »anti-atomaren Hafenrundfahrt« in Hamburg angelaufen ist. Mit mehreren hundert Veranstaltungen, Aktionen und einer Unterschriftensammlung wollen Umweltverbände und Anti-AKW-Initiativen in den nächsten Wochen darauf aufmerksam machen, dass an zahlreichen Orten in Deutschland radioaktive Abfälle transportiert werden oder lagern.

Auf Autobahnen, Schienen und Wasserstraßen wird fast täglich nuklearer Schrott transportiert. Genehmigungen für Zwischenlager laufen aus oder werden - wie im schleswig-holsteinischen Brunsbüttel - von Gerichten kassiert. Atomare Abfälle lagern auf Hausmülldeponien - erst vergangene Woche wurde Bauschutt vom Abriss des niedersächsischen AKW Stade nach Sachsen gekarrt.

Die Bergung der korrodierten Fässer aus dem Bergwerk Asse kommt nicht voran. Beim Bau des Endlagers Schacht Konrad in Salzgitter explodierten die Kosten, der Zeitplan ist aus den Fugen geraten, und das Kartellamt hat saftige Strafen gegen Firmen verhängt, die sich gegenseitig Aufträge zugeschustert hatten.

Zum Auftakt ihrer Kampagne haben die Organisatoren die nach eigenen Angaben bislang umfassendste Bestandsaufnahme von radioaktiven Abfällen ins Internet gestellt. Die Dokumentation mache deutlich, »dass wir nicht ein Atommüll-Problem, sondern viele Atommüll-Probleme haben«, sagt die Politologin und Mitverfasserin Ursula Schönberger. Der Bericht listet rund 90 Standorte auf.

Zu den nuklearen »Hotspots« zählen neben den AKW und Forschungsreaktoren etwa die Brennelementefabrik im niedersächsischen Lingen und die Urananreicherungsanlage im westfälischen Gronau, die Zwischenlager für Castorbehälter an den AKW-Standorten sowie die Landessammelstellen für schwach radioaktive Abfälle. Dazu: rostende Tonnen im Fasslager Brunsbüttel, Plutonium im sächsischen Forschungszentrum Rossendorf, ein Reaktordruckbehälter in Jülich, der so stark strahlt, dass ein eigenes Zwischenlager für ihn gebaut werden muss. Nicht zu vergessen die Altlasten der Wismut, die auf der Suche nach Uran für Sowjetunion ganze Landstriche in Sachsen und Thüringen umpflügte.

Schönberger verweist auch auf Abfälle, die in Deutschland entstanden, sich aber dauerhaft oder zeitweise im Ausland befinden. So wurden zwischen 2009 rund 27 000 Tonnen abgereichertes Uran aus Gronau nach Russland transportiert. Castorbehälter aus dem Forschungszentrum Jülich sollen demnächst in die USA verschifft werden.

Udo Dettmann vom Asse-II-Koordinationskreis rechnet damit, dass es langfristig »vier oder sogar fünf« Endlagerstandorte in Deutschland geben muss: »Das noch nicht benannte Lager für hochradioaktiven Müll«, betont er. »Dazu Schacht Konrad, Morsleben und ein Endlager für die Asse-Abfälle. Und dann bleibt da noch die Asse selbst, denn alle Fässer werden dort wohl nicht herausgeholt werden können.«

www.atommuell-alarm.info

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