Die Mieterstadt löst sich auf

Können Mietpreisbremse und Selbstbau-Initiativen den Wohnungsmarkt entlasten?

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.
Senat, Opposition, Stadtforscher und Initiativen diskutierten, welche Möglichkeiten es gibt, Wohnungsnot und steigenden Mieten beizukommen.

Die Werbetafeln an der Großbaustelle an der Otto Suhr Allee im Stadtteil Charlottenburg zeigen deutlich, dass dort Lofts für eine einkommensstarke Klientel entstehen. Nur wenige Hundert Meter weiter im Rathaus Charlottenburg widmeten sich am Mittwochabend unter dem Motto »Weder Lofts noch Laube« Stadtsoziologen und Politiker der Frage, wie Menschen mit wenig Einkommen in Berlin eine Wohnung finden und ob Genossenschaften und Selbstbauinitiativen dafür eine Lösung haben. Eingeladen hatte die Landeszentrale für politische Bildungsarbeit Berlin.

Wohnungsnot und steigende Mieten erfordern kreative Lösungen durch Politik und Gesellschaft. In der stadtentwicklungspolitischen Diskussion sind neben einer Mietpreisbremse bei Neuvermietungen und nach Modernisierungen vor allem Möglichkeiten der Förderung von Neubauten. Hoffnungen werden auf Genossenschaften und Selbstbau-Initiativen gesetzt. Kann durch sie bezahlbarer Wohnraum geschaffen und der Mietanstieg wirksam begrenzt werden? Welche weiteren Ideen und Projekte gibt es, um die »Berliner Mischung« zu erhalten?

Der an der Humboldt Universität lehrende Stadtsoziologe Andrej Holm lieferte eine eine ungeschminkte Zusammenfassung der Wohnsituation in der Hauptstadt: »Die Mieterstadt Berlin ist in Auflösung begriffen«, so sein Befund, den er mit einer Analyse der Zeitungsanzeigen untermauerte. Lange Zeit habe es sich überwiegend um Mietannoncen gehandelt, im letzten Jahr aber hätten erstmals die Anzeigen für Wohnungsverkäufe überwogen. Auch die dramatische Situation für Hartz IV-Empfänger belegte Holm mit Zahlen.

Während 2007 in Berlin die Mieten von rund 40 Prozent der Wohnungen unter der Bemessungsgrundlage der Jobcenter lagen, waren es 2012 nur noch 6 Prozent. Neubauwohnungen seien für einkommensschwache Bevölkerungsteile kaum erschwinglich.

Daher plädierte Maren Kern von den Berlin-Brandenburgischen Wohnungsunternehmen (BBU) dafür, bei den Bestandswohnungen günstige Mieten zu erhalten. Kern betonte, ihr Unternehmen sorge seit Jahren dafür, dass einkommensschwache Menschen in Berlin wohnen können. Es sei eine alternative zu Immobilienfirmen, denen es nur um die Rendite gehe.

Wesentlich kritischer sah Thomas Schmidt von der Initiative »Genossenschaft von unten« das Agieren der etablierten Wohngenossenschaften. Die würden sich zu oft als Unternehmen der Immobilienwirtschaft sehen und hätten den Gründungsgedanken aus den Augen verloren. Viel Unterstützung bekam er aus dem Publikum. Der Zivilgesellschaft rechnete Andrej Holm das Verdienst zu, dazu beigetragen zu haben, dass in Berlin soviel über die Wohnungs- und Mietenproblematik geredet wird. Mehrere Mitglieder einer Neuköllner Genossenschaft beklagten das undemokratische Gebaren des Vorstands. Über den Bau neuer Wohnungen seien sie zu spät unterrichtet worden, auf Kritik habe der Vorstand mit Ausgrenzung reagiert. Ähnliche Kritik trugen auch Mitglieder anderer Genossenschaften vor.

Die wohnungspolitische Sprecherin der Linkspartei Katrin Lompscher bekam Applaus, als sie mehr Transparenz und eine Demokratisierung der Genossenschaften anmahnte. Kritische Fragen musste sich hingegen die stellvertretende Fraktionschefin der SPD im Abgeordnetenhaus Ülker Radziwill anhören, als sie den Milieuschutz als Erfolg ihrer Partei reklamierte. »Die SPD in Neukölln stellt sich dagegen«, hielt ihr ein Zuhörer vor. Aus dem Publikum stellte sich die vor einigen Monaten gegründete Initiative Neue Kommunaler Wohnungsbau (INKW) vor, die sich für einen sozialen Wohnungsbau durch die öffentliche Hand einsetzt. Damit könnten die Rahmenbedingungen geschaffen werden, dass auch in Berlin wieder Wohnungen für einen Quadratmeterpreis von 6,50 Euro gebaut werden.

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