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Polizei geht hart gegen Proteste in Hongkong vor

Besetzung von Finanzdistrikt beginnt / Demonstranten fordern freie Wahlen in Chinas Sonderverwaltungsregion

  • Lesedauer: 3 Min.
Sie wollen mehr Demokratie, doch sie bekommen Tränengas zu spüren: In Hongkong demonstrieren Zehntausende für mehr Demokratie. Die Polizei geht mit aller Härte gegen die Demonstranten vor.

Hongkong. Die Polizei in Hongkong ist am Sonntag mit Tränengas gegen neue Massenproteste für mehr Demokratie vorgegangen. Zehntausende Anhänger der Demokratiebewegung hatten sich auf wichtigen Verkehrsadern im Stadtzentrum versammelt, wie ein AFP-Reporter berichtete. Es gab chaotische Szene, als die Menschen vor den Tränengaswolken flüchteten. Es kommt höchst selten vor, dass die Sicherheitskräfte in Hongkong Tränengas einsetzen.

Erst am Samstag hatten Demonstranten die Regierungszentrale der chinesischen Sonderverwaltungszone besetzt. Im Laufe des Tages war das Gebäude weitgehend gewaltfrei von der Polizei geräumt worden. Grund für die Protestwelle ist die Ablehnung einer Wahlrechtsreform durch die Volksrepublik China. Nach dem Willen Pekings soll Hongkongs Verwaltungschef zwar im Jahr 2017 erstmals direkt durch die Bevölkerung gewählt werden. Die zwei bis drei Kandidaten für das Amt sollen allerdings von einem pekingtreuen Ausschuss ausgewählt werden.

Die chinesische Regierung sprach den Behörden in Hongkong angesichts der Massenproteste ihr Vertrauen aus. Peking sei zuversichtlich, dass die Führung Hongkongs »im Einklang mit den Gesetzen« auf die Demonstrationen reagieren werde, gab die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua einen Sprecher des Staatsrates wieder. Weiter hieß es, Peking stelle sich strikt gegen »alle illegalen Aktivitäten«, welche die Rechtsstaatlichkeit untergraben und die »soziale Ruhe« in Gefahr bringen würden.

Nach den Studentenprotesten in Hongkong gibt es in der chinesischen Sonderverwaltungsregion neue Demonstrationen. Überraschend kündigte die Occupy-Central-Bewegung in der Nacht zum Sonntag eine Besetzung des Finanzdistrikts der asiatischen Wirtschaftsmetropole an. Die Aktivisten wollen Druck auf die Regierung und die Führung in Peking ausüben, freie Wahlen in Hongkong zu erlauben. Tausende demonstrierten am Sonntagmorgen in den Straßen um den Regierungssitz, während sich zunehmend mehr Hongkonger den Demonstranten anschlossen. Viele brachten Wasser, Nahrungsmittel und Schwimmbrillen, um die Augen gegen Tränengas oder Pfefferspray zu schützen.

Der Anführer der Bewegung, Benny Tai, teilte in der Nacht mit, dass die lange angekündigte Kampagne des zivilen Ungehorsams in der früheren britischen Kronkolonie sofort beginnen werde. Es sei Zeit, »sich zu erheben und zu handeln«. Am Vortag waren 74 Studenten festgenommen sowie 29 Demonstranten und Polizisten verletzt worden, als zweitägige Proteste am Ende eines einwöchigen Studentenstreiks eskalierten. Es waren die ersten schweren Zwischenfälle seit Beginn der jüngsten Protestwelle. Aus Ärger über die Festnahmen demonstrierten am Samstag Zehntausende spontan vor dem Regierungssitz. Unter den Festgenommenen waren die drei Studentenführer Joshua Wong, Alex Chow und Lester Shum. Dem 17-jährigen Wong wurden Tätlichkeiten gegen Polizisten vorgeworfen.

»Eine neue Ära des zivilen Ungehorsams hat begonnen«, sagte Occupy-Führer Tai und erklärte, warum die Kampagne früher als geplant beginnen werde. »Wir mussten einfach auf sehr leidenschaftliche Bürger reagieren.« Am Samstag hatte die Bewegung noch an ihrem Zeitplan festhalten wollen. Langjährige Oppositionspolitiker wie Martin Lee der Audrey Eu und selbst Hongkongs Kardinal Joseph Zen traten in der Nacht vor den Demonstranten auf, um ihre Unterstützung für die Bewegung zu zeigen.

Die Proteste entzündeten sich an einer nur begrenzten Wahlreform, mit der die Führung in Peking für 2017 zwar direkte Wahlen vorsieht, aber keine freie Nominierung der Kandidaten erlauben will. Seit der Rückgabe der früheren Kronkolonie 1997 an China wird die Sieben-Millionen-Metropole nach dem Grundsatz »ein Land, zwei Systeme« als eigenständiges Territorium Chinas autonom regiert.

Eigentlich sollte die Besetzung des Central genannten Finanzbezirks erst am Mittwoch mit ersten Aktionen wie einem »Bankett« zum Nationalfeiertag eingeläutet werden, wurde aber angesichts der Studentenproteste vorgezogen. Die Occupy-Central-Bewegung, die vor eineinhalb Jahren begonnen hatte, organisierte ihre Aktionen bislang unabhängig von den Studenten. Agenturen/nd

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