NSA-Affäre: Verfassungsrichter räumt Klage gegen Regierung schlechte Karten zu
LINKE und Grüne reichen Klage gegen Bundesregierung bei Verfassungsgericht zu
Frankfurt/Main (dpa) - Der ehemalige Bundesverfassungsrichter Hans-Joachim Jentsch räumt der angekündigten Klage von Linkspartei und Grünen auf Vorladung des einstigen NSA-Mitarbeiters Edward Snowden in den Bundestags-Untersuchungsausschuss wenig Chancen ein.
»Ich sehe das eher skeptisch«, sagte er der »Frankfurter Rundschau«. »Denn es kommt stark darauf an, die Ansprüche gegeneinander abzuwägen - also den Anspruch der Abgeordneten auf Aufklärung und den Anspruch und die Verpflichtung der Bundesregierung, Schaden vom Land in der Weise abzuwenden, dass verbündete Staaten ihre Interessen verletzt finden. Und diese Verpflichtung wiegt relativ schwer.« Da es sich um einen Präzedenzfall handele, sei eine Prognose schwierig. »Aber ich schätze die Erfolgsaussichten einer Klage als nicht besonders hoch ein.« Der Verfassungsrechtler Ulrich Battis äußerte sich in dem Blatt ähnlich. Linke und Grüne im Bundestag sind vor das Bundesverfassungsgericht gezogen, um den früheren Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden doch noch in Deutschland vernehmen zu können. Die entsprechende Organstreitklage der Opposition im NSA-Untersuchungsausschuss wurde am Donnerstagabend eingereicht, wie die Prozessbevollmächtigte der Opposition, Astrid Wallrabenstein, am Freitag in Berlin sagte. Die SPD im Ausschuss kritisierte das Vorgehen der Opposition.
Die Bundesregierung und die schwarz-rote Mehrheit im NSA-Ausschuss des Bundestages stellen sich bislang gegen eine solche Vernehmung. Wallrabenstein verwies vor Journalisten darauf, dass Snowden zur Aussage in Deutschland bereit wäre, wenn ihm sicheres Geleit gewährt würde. Wenn die Bundesregierung dies wie geschehen ablehne, müsse sie das begründen - was bisher nicht in überzeugender Weise geschehen sei.
»Wir dürfen uns nicht mit einer Situation abfinden, in der die Bundesregierung über Rechte des Parlaments entscheidet«, sagte die Linken-Obfrau im Ausschuss, Monika Renner. »Wir kontrollieren Bundesregierung und Geheimdienste, und nicht umgekehrt.« Der Grünen-Obmann Konstantin von Notz bezeichnete es als Schlüsselfrage für die Ausschussarbeit, ob Snowden in Deutschland vernommen werde oder nicht.
Der SPD-Obmann im Ausschuss, Christian Flisek, verteidigte hingegen die Entscheidung der schwarz-roten Ausschussmehrheit, Snowden nicht in Deutschland anzuhören. »Wir haben als Koalition Minderheitenrechte im Untersuchungsverfahren nicht verletzt, sondern sämtlichen gesetzlichen und verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprochen«, erklärte er. Er warf der Opposition »eine diffuse Melange abstruser politischer Argumente« vor, »die aus meiner Sicht rechtlich nicht verfangen«.
Union und SPD wollen Snowden an seinem Aufenthaltsort in Russland befragen, oder per Videoübertragung. Dies lehnt der frühere US-Geheimdienstmitarbeiter aber ab. Snowdens deutscher Anwalt Wolfgang Kaleck sagte am Freitag »Zeit Online«, er sehe nicht, »dass sich an der Situation etwas geändert hat«. Snowden müsse alles vermeiden, was seinen Aufenthaltsstatus in Russland gefährden könne. »Dazu würde eine Befragung durch ausländische Parlamentarier gehören«, sagte Kaleck.
Die Bundesregierung fürchtet eine Beeinträchtigung des deutsch-amerikanischen Verhältnisses, wenn Snowden nach Deutschland kommt und nicht an die USA ausgeliefert wird. Dies bekräftigte Regierungssprecher Steffen Seibert: »Es gibt keine neue Haltung der Bundesregierung.«
Der NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags hatte im März seine Arbeit aufgenommen. Er soll nicht nur die Rolle des US-Geheimdienstes NSA bei der massenhaften Ausspähung der Kommunikation unbescholtener Bürger klären, sondern auch die des Bundesnachrichtendiensts (BND). Ausgangspunkt waren der Affäre waren die Enthüllungen Snowdens gewesen. afp/nd
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