EU baut auf die kolumbianische Armee

Zivil-militärische Zusammenarbeit bei Operationen in Drittländern vereinbart

  • David Graaff, Bogotá
  • Lesedauer: 3 Min.
FARC-Guerilla und Regierung werben in Kolumbien um Akzeptanz für ihre Verhandlungen. Unterdessen sichert sich die EU das Know-how des umstrittenen kolumbianischen Militärs.

Es steht nicht gut um die Akzeptanz des Friedensprozesses. Obwohl dieser weiter fortgeschritten ist als je zuvor in den vergangenen 35 Jahren, lehnen laut einer aktuellen Umfrage rund 53 Prozent der Kolumbianer die seit Ende 2012 laufenden Gespräche zwischen den Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia (FARC) und der Regierung von Staatschef Juan Manuel Santos ab.

Mitte vergangener Woche veröffentlichten beide Delegationen nun die vollständigen Texte der bisherigen Vereinbarungen über die ländliche Entwicklung, den Drogenhandel und die politische Teilhabe. Eine Maßnahme, die für Transparenz sorgen solle, sagte Verhandlungsführer der Regierung, Humberto de la Calle.

Bisher hatten beide Seiten lediglich in ausführlichen Statements das Vereinbarte zusammenfassend erläutert. Viel grundlegend Neues enthalten die jeweils rund 20 Seiten langen Dokumente nicht. Die Vereinbarungen sind kaum mehr als Absichtserklärungen, denn beide Seiten verhandeln nach dem Prinzip, dass »nichts vereinbart ist, bis alles vereinbart ist«. Noch stehen der Umgang mit den Opfern des Konflikts und das Niederlegen der Waffen auf der Verhandlungsagenda.

Doch während in Havanna mühsam um den Frieden gerungen wird, plant das kolumbianische Verteidigungsministerium längst für die Zukunft. Einen Partner hat es dabei nun in der Europäischen Union gefunden. In einem kürzlich unterzeichneten Rahmenabkommen, das dem »nd« vorliegt, vereinbarten beide Seiten, dass die kolumbianischen Streitkräfte künftig an den Krisenbewältigungsoperationen der EU in Drittländern teilnehmen sollen. Derzeit finden solche zivilen und militärischen Missionen in Osteuropa, Afrika sowie dem Nahen und Mittleren Osten statt.

Mit dem Abkommen sichert sich die EU die Dienste einer der umstrittensten Armeen der westlichen Hemisphäre. Angehörige der kolumbianischen Streitkräfte haben in den vergangenen Jahren unter dem Deckmantel der Aufstandsbekämpfung schwere Menschenrechtsverletzungen begangen. Berüchtigt ist vor allem die verbreitete Praxis der sogenannten »falschen Erfolge«: Um Prämien zu erhalten, töteten Soldaten unschuldige Zivilisten, steckten sie in eine Uniform und präsentierten sie als im Kampf getötete Guerilleros.

Die EU aber schielt besonders auf die vergleichsweise geringen Kosten und das militärische Know-how der kolumbianischen Soldaten. Sie verfügten über für die EU nützliche Erfahrung in der Aufstandsbekämpfung, im Kampf gegen Drogen und den Terrorismus, sagte die EU-Botschafterin Maria van Gool bei der Bekanntgabe der Vereinbarung.

Auch in anderen Teilen der Erde gehören die kolumbianischen Armeeangehörigen zu begehrten militärischen Dienstleistern. Unlängst schloss die NATO ein Kooperationsabkommen mit den Kolumbianern, ebenso bestehen erste Kontakte nach Russland. Und auch bei privaten Sicherheitsfirmen sind ehemalige kolumbianische Militärs begehrt. Mehrere Tausend verdienen laut Medienberichten bereits ihr Geld als Söldner in der arabischen Welt.

Bisher hat Chile als einziges Land in Lateinamerika ein solches Abkommen mit der EU geschlossen. Dessen Soldaten nehmen an der EU-Mission ALTHEA in Bosnien teil. Bei welchen Operationen und ab wann die kolumbianischen Soldaten für die EU eingesetzt werden sollen, ist allerdings noch ebenso unklar wie die Fragen, ob Kolumbien durch die Kooperation Zugriff auf zusätzliche Rüstungsgüter oder gar Geheimdienstinformationen erhalten könnte.

Eine Zustimmung des Europäischen Parlaments oder der nationalen Parlamente zu dem Abkommen ist laut EU nicht notwendig, fällt der Kontrakt doch in den Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, für die der EU-Vertrag lediglich in Sonderfällen eine Anhörung des EU-Parlaments vorsieht.

Kritik kommt derweil aus Kolumbien. Alirio Uribe, Abgeordneter der Linkspartei »Polo Democrático« sagte dem »nd«, das Abkommen sei nicht mit den derzeitigen Friedensbemühungen vereinbar. »Es könnte dazu führen, dass trotz eines Endes des bewaffneten Konflikts weiterhin kolumbianische Soldaten sterben.«

Zwar sieht die kolumbianische Verfassung für ein derartiges Abkommen die Zustimmung durch Kongress und Verfassungsgericht vor, doch gilt ein Durchwinken als wahrscheinlich. Das Kooperationsabkommen mit der NATO passierte das Unterhaus dieser Tage bereits mit nur wenigen Gegenstimmen.

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