Blaupause für mehr Gentechnik

BUND kritisiert Verhandlungsergebnis im EU-Handelsabkommen mit Kanada

  • Haidy Damm
  • Lesedauer: 3 Min.
Das Freihandelsabkommen zwischen Kanada und der EU könnte Wegbereiter für mehr Gentechnik in Europa werden. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) fordert, CETA nicht zu ratifizieren.

1634 Seiten umfasst der von der EU-Kommission jetzt veröffentlichte Text des Abkommens zwischen Kanada und der EU, das als Blaupause für das weitaus bedeutsamere Freihandelsabkommen TTIP mit den USA gilt. Europäische Verbraucherstandards sollen in dem Vertragswerk nicht gelockert worden sein, werden EU-Politiker und die Bundesregierung nicht müde zu betonen. Der BUND widerspricht: Gerade im Bereich Gentechnik biete es »zahlreiche Schlupflöcher, die den Schutz von Umwelt und Verbrauchern in Europa gefährden«, erklärt die BUND-Gentechnikexpertin Heike Moldenhauer. Die EU-Kommission habe gegenüber Kanada Zugeständnisse gemacht, die es ermöglichten, die bestehende EU-Gesetzgebung zur Gentechnik auszuhebeln.

Seit Jahren versucht Kanada, Produkte mit gentechnisch veränderten Inhaltsstoffen auf den europäischen Markt zu bringen. 2003 hatte das nordamerikanische Land Beschwerde gegen die EU-Regelungen für Biotechnologiererzeugnisse bei der Welthandelsorganisation (WTO) eingereicht. Der jetzt verabschiedete Vertragstext geht in wichtigen Punkten über den 2009 geschlossenen Vergleich hinaus.

So wird in CETA betont, dass eine Kooperation im Bereich Biotechnologie gemeinsames Ziel beider Vertragsparteien sei. Diesbezügliche negative Handelsauswirkungen sollen zukünftig durch Zusammenarbeit auf Regulationsebene reduziert werden. Konkret heißt das für den BUND, dass EU-Zulassungsverfahren und Kennzeichnungsregeln permanent in Frage gestellt werden können, »um sie schließlich ganz abzuschaffen«. In Kanada, das mit sechs Prozent aller weltweit angebauten Gentechpflanzen zu den wichtigsten Anbauländern gehört, seien die Zulassungsverfahren extrem lax. Risikobewertungen fänden kaum statt und eine Kennzeichnungspflicht gebe es nicht. »Aus Sicht sowohl Kanadas als auch der USA sind die in der EU geltenden Zulassungsverfahren und Kennzeichnungsregelungen Handelshemmnisse«, sagte Moldenhauer.

So hatte US-Landwirtschaftsminister Tom Vilsack für die Verhandlungen über TTIP betont, eine Kennzeichnungspflicht sende »ein falsches Signal an die Verbraucher«. Seinem Ziel einer »wissenschaftsbasierten Zulassung« könnte Vilsack über CETA bereits einen Schritt näher gekommen sein. Dort wird als gemeinsames Ziel die »Förderung effizienter wissenschaftsbasierter Zulassungsprozesse« formuliert.

Für Moldenhauer eine »Kampfansage gegen das in der EU geltende Vorsorgeprinzip«. Daher müssen in Europa Hersteller vor der Zulassung beweisen, dass ein Produkt nicht umwelt- oder gesundheitsschädlich ist. In Kanada und den Vereinigten Staaten ist das genau umgekehrt. Hersteller attestieren sich selbst eine Unbedenklichkeit und erhalten so einen Marktzugang. Zeigen sich später Gesundheits- oder Umweltschäden, müssen die Behörden einen Zusammenhang mit den Produkten nachweisen.

Auch auf der Ebene von Verunreinigungen durch gentechnisch veränderte Organismen wollen beide Partner zukünftig kooperieren. 2012 wurde die Null-Toleranz-Linie der Europäischen Union bereits für Futtermittel aufgegeben, jetzt könnten weitere Regulierungen aufgeweicht werden, befürchtet BUND-Expertin Moldenhauer. Ihr Fazit: »Die EU-Kommission hat die bisherigen Standards in keiner Weise verteidigt.« Für die Verhandlungen über das künftige Abkommen mit den USA bestätige der CETA-Vertragstext bisherige Befürchtungen.

Auch in der neuen Zusammensetzung sieht der Umweltverband keine positiven Signale. Der Vorsitzende des BUND, Hubert Weiger, bescheinigt den designierten EU-Kommissaren »mehr statt weniger Wirtschaftswachstumsfreundlichkeit«.

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