Alt-Parteien und junge Wähler
Auch in Brandenburg wird die Linke vor allem von Älteren gewählt - droht die Partei, den Anschluss an die Arbeitswelt zu verlieren?
DDR-Debatte und Regierungsfragen sind sicher spannend - lohnend könnte es darüber hinaus sein, sich etwas genauer mit Analysen der Wahlergebnisse zu befassen. Das Institut Infratest dimap hat sich das Abstimmungsverhalten der Jüngeren angeschaut - und schreibt mit Blick auf Brandenburg: »Die Befunde zeigen, dass das Wahlverhalten der 16- und 17-Jährigen zur Landtagswahl sich signifikant vom Wählervotum anderer Altersgruppen unterscheidet: SPD, CDU und Linke schneiden deutlich schlechter, kleinere Parteien dagegen umso besser ab.«
Das ist auf den ersten Blick nicht überraschend, auf den zweiten wird aber ein Muster deutlich, das für die Politik der größeren Parteien, also auch der Linken, ein paar Denkaufgaben mitbringt: Das deutliche Abfallen der Ergebnisse tauche »auch bei den mittleren Altersgruppen auf und schwächt sich erst mit zunehmendem Alter der Wähler ab«, schreiben die Demoskopen in einer Auswertung.
Konkret sehen die Zahlen so aus: Bei den bis zu 24-Jährigen schneiden drei Parteien überdurchschnittlich ab: Die Grünen, die landesweit auf 6,2 Prozent kamen, erhalten in der Altersgruppe 13 Prozent (16 Prozent bei den 16- und 17-Jährigen). Die Rechtspartei AfD bekommt bei den bis zu 24-Jährigen 15 Prozent - knapp drei Punkte mehr als ihr Gesamtergebnis von 12,2 Prozent. Überdurchschnittliche Ergebnisse erzielt die AfD auch in den Altersgruppen bis Ende 50. Bei den Piraten, die insgesamt mit 1,5 Prozent schwach abschnitten, sind es bei den bis zu 24-Jährigen 7 Prozent - bei den 16- und 17-Jährigen sogar neun Prozent.
Zusammengefasst: Grüne, Piraten und AfD kommen bei den bis zu 24-Jährigen auf über ein Drittel der Stimmen. Bezieht man noch die »Sonstigen« mit ein, bei denen in Brandenburg vor allem NPD und Freie Wähler relevant sind, kommen die »Klein-Parteien« auf 44 Prozent in der Altersgruppe; zählt man noch die FDP dazu sind es sogar 46 Prozent.
Umgekehrt gibt es auch die »Alt-Parteien«, wobei der Begriff hier gewissermaßen eine neue Bedeutung erhält: Die SPD hat in allen Altersgruppen unter 60 Jahren prozentuale Ergebnisse die zum Teil deutlich unter ihrem Gesamtanteil von 31,9 Prozent liegen. Bei der Linkspartei trifft dies zumindest auf die Altersgruppen unter 45 Jahren zu.
»Ihren deutlichen Vorsprung von den Wettbewerbern sicherte sich die Brandenburger SPD erst bei den über 60-Jährigen, ebenso konnte sich die Linke nur bei den älteren Brandenburgern von den kleineren Wettbewerbern AfD und Grüne deutlicher absetzen«, sagt Richard Hilmer von infratest dimap. Und ergänzt mit Blick auf die Zukunft: »Entscheidend wird sein, inwiefern es den heute größeren Parteien gelingt, die jüngeren Wählergenerationen erfolgreicher als bislang anzusprechen. Sollten sie hieran scheitern, könnte sich – gebremst durch den demografischen Aufbau – die künftige Gestalt der Parteiensysteme erkennbar in Richtung eines fragmentierteren Parteiensystems verändern.«
Horst Kahrs von der Rosa-Luxemburg-Stiftung, der sich die Wahlergebnisse vor allem der Linkspartei auch von Thüringen und Sachsen genauer angeschaut hat, spricht für die Linke generell von der »Tendenz zur ,Vergreisung der Wählerschaft‘«. Landesergebnisse im Osten unter der 20-Prozent-Marke »könnten zukünftig Normalität werden«. Der mangelnde Rückhalt bei den Jüngeren hat dabei nicht bloß ein statistisches Gesicht - sondern verweist auf ein enormes Problem, denn damit, so Kahrs, »einher geht die relative Schwäche bei den Berufstätigen. Die Linke droht, so lässt sich zugespitzt formulieren, den Anschluss an die Arbeitswelt, an die dort stattfindenden Umwälzungen der Produktivkräfte, an den Alltag und das Alltagsbewusstsein ,normaler‘ Berufstätiger, zu verpassen«.
Dabei geht es um mehr als eine milieuspezifische Repräsentationslücke, die mal eben in anderen sozialen Gruppen kompensieren lässt. Es geht um das Fundament einer demokratisch-sozialistischen Partei - und hierbei ist nicht bloß die berühmte »Verankerung in den Gewerkschaften« gemeint. Nochmal Kahrs: »Für eine Partei, die auf emanzipatorische gesellschaftliche Veränderung setzt, ist die Verankerung bei den jüngeren Wählerschichten, die am Anfang und in der Mitte ihres Berufslebens stehen, von großer Bedeutung, wenn sie nicht sich auf die Funktion des Schutzpatrons der wohlerworbenen Ansprüche der älteren Generation an den gesellschaftlichen Reichtum verstehen will.«
Wenn über die künftige Strategie der Linkspartei zu reden ist, dann also und vor allem auch darüber. Die Frage, wie sich die Linkspartei »Verankern, verbreitern, verbinden« kann - so der Titel eines Strategiepapiers der Vorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger vom November 2013 - wird maßgeblich auch hier mitbeantwortet. Und dabei geht es nicht nur um Menschen, die in prekäre Beschäftigungsverhältnisse oder unsichere Lebensumstände gedrängt sind, sondern auch um die in »normalen« Arbeitsverhältnissen, mit »normalen« Einkommen und Alltagspraxen.
Der Trend zu den »Alt-Parteien« hat im übrigen auch noch eine bündnispolitische Dimension. Denn wie oben am Beispiel von Brandenburg gezeigt ist nicht nur die Linkspartei, sondern auch die SPD davon betroffen - und die Grünen sind zu klein, um die rot-rote »Vergreisung« zu kompensieren. Noch einmal Kahrs: »Die Schwäche der Linke bei den Jüngeren ist keine Stärke von Sozialdemokraten oder Grünen, also den beiden anderen Parteien links von der Union, die zusammen mit der Linken den Pol der sozialen Gerechtigkeit, der sozialstaatlichen Umverteilung und ökologischen Nachhaltigkeit besetzen.«
Wenn also in den vergangenen Jahren mit Blick auf die drei Länder, in denen gerade gewählt wurde, von einer »linken Mehrheit« die Rede war, dann war dies auch eine Mehrheit der Älteren. Momentan sieht es so aus, wie Kahrs schreibt: »Der Weg zurück zu einer «linken Mehrheit» ist, wenn denn die These stimmt, dass es so etwas wie politische Generationen und politisches Generationenverhalten gibt, wofür vieles spricht, mehrfach verbaut. Er führt unweigerlich über die heute unter 45-Jährigen, die im weitesten Sinne zur berufstätigen Mitte der Gesellschaft zählen«.
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