Der Masterplan trägt Früchte
Marzahn-Hellersdorf: Rund 1000 Jugendliche weniger arbeitslos als 2012
Auch wenn es Jeremy Heinrich-Emden am Dienstagvormittag zunächst schwerfällt, die vielen neugierigen Fragen zu beantworten - er ist froh über den Weg, den er einschlug. Und vielleicht auch ein wenig stolz, nur kann er das nicht so zeigen. Der 18-Jährige hat jedenfalls einen Schulabschluss in der Tasche und eine Lehrstelle. Das Besondere daran ist, Jeremy gehörte nicht gerade zu den Besten in der Klasse. Dass er nun trotzdem auf der Gewinnerseite steht, hat vor allem etwas mit dem bislang berlinweit einmaligen Projekt in Marzahn-Hellersdorf zu tun. Dort wurde 2012 der Masterplan unter dem Motto: »Arbeit und Ausbildung für alle Jugendlichen in Marzahn-Hellersdorf bis 2016« aufgestellt. Das Bezirksamt, das Jobcenter, die Agentur für Arbeit und weitere Partner initiierten ein groß angelegtes Aktionsprogramm. Es funktioniert über ein breites Netzwerk mit dem Ziel, Jugendlichen verschiedene Berufsmöglichkeiten aufzuzeigen, sie über extra eingerichtete Coachings zu motivieren, Praktika anzubieten und geht praktisch über bisher bestehende Ansätze und Angebote hinaus. Ein so genannter MatchPoint fungiert seit Januar 2013, im Rathaus am Alice-Salomon-Platz, als Vermittlungsstelle.
»Ich bin zufrieden, was wir nach zweieinhalb Jahren vorweisen können«, sagt der Marzahn-Hellersdorfer Bürgermeister Stefan Komoß (SPD). Waren zum Projektbeginn rund 2700 Jugendliche des Großbezirks arbeitslos, sind es jetzt rund 1600. »Das ist ein Rückgang um etwa 40 Prozent«, betont der Politiker. Für Carina Knie-Nürnberg, Geschäftsführerin Operativ der Agentur für Arbeit Berlin Mitte, sei damit bewiesen, »dass es sich lohnt, Kompetenzen zu nutzen und Aktivitäten zu bündeln«. »Die Strukturen des bezirklichen Modellprojektes könnten durchaus Bestandteil der geplanten Jugendberufsagentur für Berlin werden«, sagt sie überzeugt.
Jeremy Heinrich-Emden, der gerade sein erstes Ausbildungsjahr als Elektroniker bei der Wahl ElektroTechnik GmbH startete, hat die Vorteile des umfangreichen Netzwerkes selbst erfahren. Er nahm unter anderem am Coaching teil, das an allen zehn Integrierten Sekundarschulen des Bezirks für die Jugendlichen in der achten und neunten Klasse angeboten wird. In den Gesprächen werden unter anderem Stärken und Schwächen analysiert sowie die Eigenmotivation gestärkt, damit jeder Absolvent die Schule mit genauen Vorstellungen über seine berufliche Zukunft verlässt. Der MatchPoint vermittelte Jeremy schließlich ein Praktikum, später schloss sich noch das Praxislernen an.
Das bedeutet: Schüler der zehnten Klassen sind zwei Tage pro Woche in einem Unternehmen und besuchen drei Tage die Schule. Auch die Vorteile für den Betrieb liegen auf der Hand: »Wir können den Jugendlichen über einen längeren Zeitraum beobachten, seine Qualitäten und Fähigkeiten erkennen und ihn gezielt fördern«, beschreibt Thomas Jünemann, Berliner Geschäftsführer der Wahl ElektroTechnik GmbH.
Den Mitarbeitern des MatchPoints gelang es jedenfalls, durch intensive Akquise einen Arbeitgeberpool aufzubauen. Interessierten Schülern wurden im Bezirk seit 2012 bereits 140 Praktika vermittelt. 149 regionale Unternehmen stellten insgesamt 241 Plätze zur Verfügung. Zu den Branchen gehören die Gastronomie, der Kfz-Bereich, das Baugewerbe, die Verwaltung und das Handwerk.
Fest steht für die Initiatoren: Der angefangene Kurs wird weitergeführt. Bezirksbürgermeister Komoß betont aber, »so ein Projekt funktioniert nicht ohne zusätzliches Geld und Personal.« »Pro Bezirk müssten jährlich 500 000 Euro zur Verfügung stehen.« Marzahn-Hellersdorf habe damit bislang unter anderem das Coaching sowie Betriebskosten finanziert.
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