Im Grenzgebiet zur 3. Liga

Folge 46 der nd-Serie »Ostkurve«: Wacker Nordhausen ist auf dem Weg in den Profifußball

  • Max Zeising
  • Lesedauer: 4 Min.
Vor der politischen Wende spielte Wacker Nordhausen zumeist in der zweitklassigen DDR-Liga. Dann ging der Verein insolvent. Nun ist er wieder auf dem Weg nach oben.

Wenn man nach Nordhausen fahren möchte, führt der Weg direkt durch die sachsen-anhaltinische oder thüringische Provinz. Um die 40 000-Einwohner-Stadt im Norden von Thüringen herum befindet sich der Harz und die Goldene Aue mit dem bekannten Kyffhäuserdenkmal, das vor mehr als 100 Jahren zu Ehren von Kaiser Wilhelm I. errichtet wurde. Vergleichbar große Städte findet man dagegen nicht. Die nächstgelegene Großstadt ist Göttingen - und die liegt schon hinter der ehemaligen Grenze zwischen DDR und BRD in Niedersachsen. Ähnlich wie die geografische Lage der Stadt Nordhausen lässt sich auch die sportliche Rolle des lokalen Fußballvereins FSV Wacker beschreiben, der 1905 von Mitgliedern eines evangelischen Jünglingsvereins gegründet wurde: Er ist nicht besonders renommiert, aber in der Region die klare Nummer eins.

Zu DDR-Zeiten spielte der Verein als Motor Nordhausen vor allem in der zweitklassigen DDR-Liga, zeitweise in der Bezirksliga. Heute spielt er nach vielen Kapriolen wieder um die vordersten Plätze in der Regionalliga mit. Einer, der sich gern an die Zeit vor der politischen Wende zurückerinnert, ist Frank Ludwig. Von 1984 bis 1996 spielte er als Stürmer und Linksaußen für Nordhausen. Auch heute noch ist er mit dem Verein verbunden - er besucht fast jedes Heimspiel und kickt für die Alten Herren. »Wir hatten damals immer mindestes 3000 Zuschauer«, erinnert sich Ludwig. Mit heutigen Verhältnissen kann man das nicht mehr vergleichen: Zum letzten Heimspiel gegen den Berliner AK kamen gerade einmal 541 Besucher. »Wir waren damals zwar nicht so fit wie die heutigen Spieler, aber technisch besser«, meint Ludwig, der die DDR-Liga vom Niveau her mit der aktuellen 3. Liga vergleicht.

Seine stürmischsten Zeiten erlebte der Verein zur Zeit der Grenzöffnung im Jahr 1989. Weil Nordhausen nur eine halbe Stunde Autofahrt von Niedersachsen entfernt liegt, nutzten etliche Spieler die Gunst der Stunde und verließen die DDR und damit auch ihren Heimatverein. »Die bekamen im Westen bei jedem Dorfklub mehr Geld als bei uns«, erzählt Frank Ludwig. »Es gab Vereine an der Grenze zu Thüringen, die fast komplett aus ehemaligen DDR-Spielern bestanden.«

Nordhausen ging es in der Folgezeit wirtschaftlich immer schlechter. Zwar spielte man in den 90er-Jahren drei Spielzeiten in der damals drittklassigen Regionalliga und qualifizierte sich durch Landespokalsiege dreimal für den DFB-Pokal, doch 2001 musste der Verein Insolvenz anmelden. Erst seitdem Nico Kleofas 2010 zum Präsidenten gewählt wurde, geht es sportlich wieder aufwärts. Mit dem Unternehmer aus Niedersachsen kam der Erfolg nach Nordhausen zurück. »Er hat seine Beziehungen spielen lassen und viele Sponsoren rangeholt«, sagt Frank Ludwig. Und das hat sich ausgezahlt: 2012 stieg Wacker Nordhausen von der sechstklassigen Thüringenliga in die Oberliga auf, ein Jahr später folgte der Durchmarsch in die Regionalliga. Dort wurde man in der ersten Saison auf Anhieb Sechster. Und in der aktuellen Spielzeit eroberte man sich vor zwei Wochen nach dem 2:1-Sieg bei Budissa Bautzen sogar die Tabellenführung.

»Der Aufschwung hat natürlich mit Geld zu tun. Kleofas holte viele gute Spieler nach Nordhausen«, erklärt Ludwig. So wurde der Kader in den letzten Jahren in regelmäßigen Abständen gehörig durcheinandergewirbelt. Mehr als ein Dutzend Neuzugänge hatte Wacker Nordhausen vor dieser Saison zu verzeichnen. Und da waren durchaus Hochkaräter dabei: Tino Semmer vom Chemnitzer FC, Johannes Bergmann und Nils Pfingsten-Reddig vom FC Rot-Weiß Erfurt, alle drei aus der 3. Liga. Pfingsten-Reddig war sogar bis August Rekordspieler dieser Spielklasse, bevor er vom Münsteraner Jens Truckenbrod abgelöst wurde. Nun könnten er bald mit Nordhausen in die 3. Liga zurückkehren.

Doch wohin geht die Reise tatsächlich? Man redet zwar vom Aufstieg, doch ihn auch wirklich zu realisieren ist schwer. Für Liga drei muss nicht nur gewonnen, sondern auch noch das Stadion renoviert werden. Der 8000 Zuschauer fassende Albert-Kuntz-Sportpark genügt den DFB-Anforderungen nicht mehr. Daran sieht man, dass alles ein bisschen schnell ging in Nordhausen in den letzten Jahren. Und jetzt rennt die Zeit noch mehr. Denn sollte das Stadion nicht bald renoviert werden, droht sogar der Zwangsabstieg. »Es gab die Überlegung, dass der Sportpark, der bisher der Stadt gehört, dem Verein übertragen wird. Doch die Betriebskosten sind zu hoch«, sagt Frank Ludwig. Nun müssen 3,5 bis 4 Millionen Euro für eine Erneuerung aufgewandt werden. Es fehlt an Flutlicht, modernen Zuschauerrängen und Parkplätzen. Wie die Sache ausgeht, ist noch unklar.

Und es gibt noch ein weiteres Problem zu bewältigen: In den letzten Jahren machten Neonazis durch rechte Gedenkveranstaltungen und Gewaltaktionen in Nordhausen auf sich aufmerksam. Auch die Fanszene des FSV Wacker erhält Zulauf von Rechtsaußen - verschiedene Hooligangruppen wie »NDH-City«, »Aktionsgruppe Nordhausen« und »Wackerfront« traten in den letzten Jahren in Erscheinung. Diese sind regelmäßig Thema im Thüringer Landtag. Leider standen die Vereinsverantwortlichen trotz einer Woche beständigen Anfragens nicht für eine Auskunft zur Verfügung. Aus der Geschäftsstelle hieß es, man habe gerade keine Zeit. Auch Präsident Nico Kleofas lehnte ein Gespräch ab. Es sind unrühmliche Zwischentöne von einem Verein, der sich anschickt, die Grenze zum Profigeschäft zu überschreiten.

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